0114 - Mädchen, Gangster, blaue Küste
fragte er langsam.
Ich nickte. »Wenigstens der wichtigste Teil. Das Mädchen befindet sich in Sicherheit. Jetzt müssen wir der französischen Polizei klarmachen, welcher Film hier abgelaufen ist. Dazu brauchen wir Sie und vielleicht den Boy. Fahren Sie mit!«
»Sofort!«
»Cotton«, sagte eine scharfe Stimme hinter mir. »Agent Cotton!«
Frederic Colleg stand da und glich der personifizierten Empörung.
»Wie ich an Ihrer Kleidung sehe, haben Sie sich wieder geprügelt, Cotton«, pfiff er. »Ich werde von Washington sofort telegrafisch die Erlaubnis erbitten, Sie umgehend in die Staaten zurückzuschicken.«
»Einverstanden, Fred«, antwortete ich kalt, »aber vorher möchte ich Sie zu 42 einer kleinen Spritztour nach Cannes einladen, damit Sie Ihren Bericht über meine Untaten auch vollständig abfassen können. Kommen Sie!«
Vielleicht schwante ihm, dass doch etwas mehr hinter meiner vermeintlichen Rauflust steckte. Jedenfalls ging er mit. Er musste sich auf den unbequemen Notsitz quetschen. Bodin nahm den Jungen auf den Schoß. Gute zwanzig Minuten später stoppten wir vor dem Polizeipräsidium in Cannes. Colleg war etwas grün im Gesicht. Er vertrug schnelles und scharfes Autofahren schlecht.
Der Vernehmungsraum des Präsidiums platzte vor Menschen, und es herrschte eine Stimmung wie unmittelbar vor dem Ausbruch einer Saalschlacht. Die Polizisten hatten Smokingträger und Matrosen säuberlich getrennt, die einen nach links, die anderen nach rechts. Selbst Olden hatte seinen Freund-Feind verlassen müssen. Der Erfolg war, dass beide Parteien kurz davor standen, sich wieder aufeinander zu stürzen. Die Matrosen schimpften in den schauerlichsten Mittelmeerdialekten. Die Engländer antworteten knapp und karg im Soho-Slang, Beer und Bern bedienten sich eines gepflegten Bronx-Slangs, und welche Abart ihrer Sprache die beiden Schweden benutzten, um den Gegnern zu sagen, was sie von ihnen dachten, weiß ich nicht. In der Mitte saß ein Kriminalinspektor der französischen Polizei, kommandierte mit wilden Gesten ein Dutzend Flics, die sich bemühten, die Parteien getrennt zu halten.
»Ruhe, Boys!«, brüllte ich, und dann noch einmal, lauter: »Ruhe!«
»Taisezvous!«, schrie Bodin. Wir hatten Erfolg. Es wurde ruhig.
Der Kriminalinspektor stand auf und sagte etwas. Wahrscheinlich erkundigte er sich, was wir hier zu suchen hätten.
Bodin gab eine lange Erklärung ab, in deren Verlauf der Kriminalinspektor immer nachdenklicher wurde. Erst rieb er sich die Nase, dann kratzte er sich den Kopf, dann konnte er sogar Englisch.
»Ich glaube, ich benachrichtige den Chef«, sagte er und telefonierte.
»Hören Sie«, wandte ich mich an Bodin. »Sagen Sie ihm, dass er schleunigst nach Cap d’Antibes fahren soll, um Ragnier festzunehmen.«
Bodin sagte es auf Französisch. Der Inspektor antwortete auf Englisch: »Wir wollen die Ankunft des Chefs abwarten.«
Wir warteten länger als eine halbe Stunde. Schließlich erschien ein kugeliger Monsieur, der sehr ungehalten war. Er, der Inspektor und Bodin palaverten hitzig durcheinander. Offensichtlich glaubte der Polizeipräsident, berufsmäßiges Misstrauen zur Schau stellen zu müssen. Schließlich wandte er sich an mich.
»Wo ist die Dame, von der Sie sprechen?« Sein Englisch war grausig.
»Bei einem Arzt hier in Cannes. Ich zeige Ihnen das Haus! Nehmen Sie den Jungen und den Kapitän mit.«
»Sie haben mir keine Vorschriften zu machen«, bellte er.
Wieder sprach er mit dem Inspektor. Bodin hatte inzwischen einen roten Kopf bekommen und begann zu schreien. Schließlich entschloss sich der Polizeichef, meinen Vorschlag anzunehmen. Er, sein Inspektor und ich mussten in einen Wagen steigen. Außerdem nahm er zwei Polizisten mit, die offensichtlich ihn vor mir schützen sollten. Bodin, der Junge, der Kapitän, die sich bisher ganz still verhalten hatten, und noch einmal zwei Polizisten folgten in einem zweiten Wagen.
***
Ich fand das Haus des Arztes rasch wieder. Es war so nahe, dass wir zu Fuß hätten gehen können. Der Doc war noch auf. Und er erschrak ziemlich, als eine ganze Horde vor seiner Tür erschien.
»Sie schläft«, sagte er. »Es ist besser, sie schlafen zu lassen.«
»Dieser Herr hat also tatsächlich eine Dame zu Ihnen gebracht?«, fragte der Polizeipräsident und stieß einen fetten Zeigefinger gegen mich.
»Ja.«
»Wecken Sie das Mädchen. Wir brauchen seine Aussage!«
Der Doktor sträubte sich noch, schließlich mischte ich mich ein.
»Doc,
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