0116 - König der Vampire
etwas war schiefgelaufen, ein Störfaktor mußte sich in der Nähe befinden.
Krul ahnte nicht, daß es die Ausstrahlung von Château Montagne war, die bis hierher reichte. Er wußte nichts von den geheimnisvollen Kräften, die dieses Schloß in sich barg, die aber nur zu bestimmten Zeiten wirksam wurden. Nur daher kam es, daß er dem Zusammentreffen mit Zamorra mit gemischten Gefühlen entgegensah…
***
Der Zeitpunkt war da, für den sich der Parapsychologe Ogo Krul angemeldet hatte. Nicole hatte sich in das neue Kleid gezwängt und sah hinreißend verboten aus. Zamorra hatte sich nicht besonders in Schale geworfen. Schließlich war es kein Gala-Dinner, was hier veranstaltet wurde, nur konnte Nicole es nie lassen, immer wieder zu glänzen.
»Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, dich mir abzuwerben«, befürchtete Zamorra. »Ich könnte den Verlust nicht verwinden.«
Nicole lächelte spitzbübisch. »Ich kann diesen Krul ja einmal fragen, was er mir zahlen will.«
»Die Hälfte«, vermutete Zamorra. »Mehr bestimmt nicht.«
»Scheusal.«
Ihre Diskussion wurde jäh unterbrochen, als der Gong durch das Schloß hallte. »Das sind sie«, vermutete Nicole.
»Sie? Ah, er kommt ja in Begleitung«, entsann der Professor sich. Nicole erhob sich aus dem Clubsessel und marschierte hüftschwenkend zur Tür. Zamorra sah ihr nach und dachte an den vergangenen Abend, an dem sie ihm im Fitneß-Center des Schlosses noch den neu erworbenen Bikini vorgeführt hatte. Der hatte die für Zamorra erfreuliche Eigenschaft gezeigt, bei Kontakt mit Feuchtigkeit seine Undurchsichtigkeit aufzugeben.
Während dessen fuhren im Schloßhof zwei schwere schwarze Wagen vor. Raffael Bois, unscheinbar wie immer in gestreifter Livree, ging den beiden Fahrzeugen entgegen, die knirschend auf dem rauhen Boden zum Stehen kamen. Die Fahrzeugtüren flogen auf, und insgesamt acht Männer stiegen aus, von denen sich sieben verblüffend ähnelten.
Jetzt kam auch Nicole aus dem Haupteingang. Sie überflog die Szene mit einem raschen Blick - und erstarrte.
Da war es wieder, dieses unbestimmtes Gefühl einer drohenden Gefahr. Sie spürte, wie sich ihre Muskeln verkrampften, wie ihr Nacken steif wurde und sich dort die kleinen Härchen aufrichteten. Im roten Schopf schien es zu knistern. Nicole fror plötzlich trotz der Wärme.
Der Blick aus ihren goldgesprenkelten Augen fraß sich an dem Mann fest, der sich deutlich von den sieben anderen unterschied. Dick, untersetzt, weißhaarig - rötliche Augen - ein Albino…
Eine kalte Hand schien nach ihr zu greifen. Das war doch der Mann, den sie gestern noch tot im Polizeirevier von Roanne gesehen hatte! Jener Unfalltote, dem der unglückliche Simca-Fahrer den sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis und ein Gerichtsverfahren verdankte…
Dann aber straffte sie sich. Es mochte Zufall sein, eine gewisse Ähnlichkeit, vielleicht hatte sie aber auch nicht richtig hingesehen, hatte sich in der Aufregung gestern getäuscht… wie dem auch sei, dieser Mann hier lebte, und seine roten Albinoaugen leuchteten auf, als er Nicole gewahrte. Mit raschen Schritten kam er auf sie zu, ergriff ihre Hand und führte sie an die Lippen.
»Küß die Hand, Mademoiselle; ich bin entzückt, einer solch strahlenden Schönheit zu begegnen. Ja, ich möchte behaupten, die Sonne geht auf…«
Nicole lachte auf. »Sie sind lustig, Monsieur. Die Sonne scheint schon den ganzen Tag!« dabei wies sie zum strahlend blauen Himmel empor.
Der Dicke lächelte gewinnend, und dieses Lächeln gab ihm ein sympathisches Aussehen. Unzählige winzige Fältchen in seinen Augenwinkeln zeigten, daß er oft lachte. Und Menschen, die oft lachen, können nicht böse sein…
Nicole verdrängte ihre Ahnungen. »Sie sind bestimmt Monsieur Krul…?« vermutete sie.
»Richtig«, nickte er bestätigend. »Und Sie müssen Mademoiselle Duval sein, dieses süße Stimmchen am Telefon! Hervorragend!«
Raffael näherte sich, neigte kurz den Kopf. »Darf ich Sie und Ihre Begleitung bitten, mir zu folgen.«
»Das ist Raffael, unser guter Geist.« erklärte Nicole. »Kommen Sie doch, Monsieur Krul.«
Sie setzten sich in Bewegung. Nicole und Raffael gingen voran. So konnten sie nicht sehen, daß die Lachfältchen rasch wieder verschwanden, bereit, jederzeit wieder zu erscheinen. Sahen auch nicht die maschinenhaften, gleichmäßigen Bewegungen der sieben anderen Männer, die sich so ungeheuer ähnelten.
Oben am Fenster stand Zamorra, sah in den Hof hinunter und machte
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