0116 - König der Vampire
besonders sehenswert ist, ist es doch ein altes Erbstück, an dem ich hänge und das ich nur schwerlich aus der Hand gebe.«
»Sie brauchen es mir nur zu zeigen. Bitte!« verlangte Krul.
Achselzuckend wandte Zamorra sich um und ging zu dem verborgenen Tresor. Mit seinem Körper abschirmend, tasteten seine Finger einen raschen Rhythmus in einen bestimmten Teil der Tapete, die das Eingabe-Terminal des Elektronikschlosses verbarg. Für normale Beobachter war hier nur eine ganz normale Wand mit Tapete. Niemand ahnte, daß sich ausgerechnet hier unter der Tapete Sensortasten befanden.
Plötzlich schwang ein dreißig mal dreißig Zentimeter großes Stück der Wand lautlos auf. Zamorra griff rasch hinein und holte das Amulett hevor.
Augenblicke später schloß sich die Wand automatisch wieder. Eine zusätzliche Sicherung; zögerte ein Unbefugter auch nur eine Sekunde zu lange mit dem Zugreifen, schloß sich der Tresor wieder und klemmte ihm die Hand ab. Gleichzeitig heulte dann die Sirene durch das Château, und unten im Dorf klingelte im nächsten Moment, durch die Automatik ausgelöst, das Telefon der Polizeiwache.
Zamorra wog das Amulett in der Hand und stand einen Moment abwartend da, mit dem Rücken zu Krul. Dabei hörte er Nicole unmotiviert fragen: »Monsieur, haben Sie einen Doppelgänger, denn gestern sah ich in der Polizeistation von Roanne einen Toten, der Ihnen verblüffend ähnelte?«
War es Zufall, daß Zamorra sich in diesem Augenblick umwandte?
Das Amulett lag gut in seiner Hand, und im gleichen Moment, als Nicole ihre Frage beendet hatte, spürte er, wie das Amulett sich in seinen Händen erwärmte.
Er erstarrte.
Eine Erwärmung dieser flachen Scheibe - ein leichtes, fast unmerkliches Vibrieren - das konnte nur eines bedeuten…
Er hielt das Amulett Krul entgegen.
Ein gleißender Lichtblitz flammte auf, hüllte das Arbeitszimmer in einen gespenstischen Schein. Sekundenlang schien Krul hinter einem Röntgenschirm zu stehen, die Konturen seines nichtmenschlichen Knochengerüstes traten scharf hervor. Nicole stieß einen spitzen Schrei des Entsetzens aus.
»Ein Dämon!« rief Zamorra. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Ein Ruck ging durch seinen großen Körper. »Fast wäre es dir gelungen… das ist nicht zu fassen: ein Dämon schleicht sich unerkannt hier ein…«
Nicole stand plötzlich mit dem Rücken zur Wand. Das Amulett sandte einen unirdischen Lichtschein aus.
Ogo Kruls Gesicht zeigte nur noch Triumph. Alle Wärme war aus ihm gewichen. Der fette Albino verkörperte nur noch das Böse, hatte die Maske abgeworfen wie lästigen Ballast.
»Es ist soweit, Zamorra«, zischte er. »Das Ende deiner Laufbahn steht bevor. Du wirst hier und heute sterben, und nichts wird dich retten können. Ja, Duval - du hast gestern richtig gesehen. Der Tote - war einer meiner Art, der mir so gleicht wie ich mir selbst! Und nun…«
Zamorra beugte sich vor, sein Körper war gespannt wie eine Stahlfeder. Er klopfte auf das Amulett.
»Du vergißt das hier, Freundchen«, bemerkte er trocken. »Das Amulett. Es schützt mich und wird dich vernichten. Du bist blind in die Falle gestolpert, die du mir gestellt hast, Dämon!«
Hallend klang Kruls Lachen, als er sich aus dem Sessel erhob. Gegen Zamorra wirkte er wie ein Zwerg, und dennoch ging von ihm eine Aura der Macht aus. »Du irrst, Zamorra, ich habe es nicht vergessen. Sieh!«
Er hob die Hand; eine ablenkende Bewegung. Im nächsten Augenblick zuckten aus seinen Augen zwei parallel verlaufende Strahlenfinger. Sie trafen mit einem schrillen, durch Mark und Bein gehenden Pfeifen auf das Amulett.
Und das Unfaßbare geschah!
Innerhalb weniger Sekunden schmolz das Amulett in Zamorras Händen, tropfte als ein wertloser Klumpen Metall einfach zu Boden. Vernichtet, zerstört…
Fassungslos starrte Zamorra auf seine leeren Hände, dann auf Krul. Ein gequälter Schrei drang über seine Lippen, doch er kam zu spät!
Denn dies war der Augenblick, in dem sich die Ereignisse überstürzten…
***
Unten in der Empfangshalle wurde es dem alten Raffael plötzlich ungemütlich, der mit den beiden Fahrern gerade wieder vom Hof hereingekommen war. Die fünf Zurückgebliebenen standen da wie eine Mauer.
Raffael ging zur Sprechanlage. Er wollte an Zamorra melden, daß der Burghof frei war und der Helikopter landen konnte, sobald er kam. Doch bevor sein Zeigefinger die Ruftaste berührte, schloß sich eine Hand wie eine Stahlklammer um seinen Unterarm und riß ihn
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