0117 - Der Rattenkönig
heranfahren können, dafür war der Weg zu schmal, wie man mir erzählt hatte.
So mußte ich mich auf meine Schuhsohlen verlassen.
Ich maß die Entfernung zur Burg ab und entschied mich, den schmalen Weg zu verlassen.
Das Gras wuchs hier kniehoch und streichelte meine Beine.
Wilde Blumen blühten, Vögel und Insekten schwirrten durch die Luft, eine Umgebung wie aus dem Bilderbuch.
Doch hinter dieser herrlichen Kulisse lauerte das Grauen, ich ließ mich da nicht täuschen.
Der Hügel war in seiner unteren Hälfte zum Teil mit lichtem Wald bewachsen. Ich schritt zwischen den Bäumen hindurch; der weiche Boden federte meine Schritte ab.
Es ging bergauf.
Dann sah ich plötzlich links von mir einen Pfad, der sich in die Höhe schlängelte.
Diesen Weg nahm ich. Dort zu laufen, war weniger beschwerlich als dieses querbeet spazieren.
Zügig kam ich voran.
Hin und wieder konnte ich einen Blick auf die Burg werfen. Jetzt erkannte ich, daß sie gar nicht oben auf dem Hügel lag, sondern ein kleines Stück unter der Kuppe.
Für mich günstig, so brauchte ich weniger zu laufen.
Der Pfad wurde breiter. Schon bald dämpfte keine Humusschicht meine Schritte. Ich ging jetzt über einen Belag von kleinen Steinen, und bei jedem Tritt wallte eine feine Staubwolke hoch.
Noch eine Kehre, dann sah ich die Burg vor mir.
Keine Spur von Leben. Auch keine Ratten waren zu sehen und erst recht nichts von dem Eigentümer, diesem Rocky Koch.
Die Mauern schienen in der Sonne zu glühen.
Nicht weit entfernt sah ich ein Tor. Es war nicht geschlossen, ein Flügel stand offen.
Für mich eine Einladung.
Ein unangenehmes Kribbeln spürte ich doch, als ich den Burghof betrat. Der Gedanke an die zahlreichen Ratten war nicht gerade angenehm. Ich konnte mir wirklich etwas Besseres vorstellen, als mich mit diesen freßgierigen Tieren herumzuschlagen.
Aus der Nähe sah ich, wie verfallen die Burg wirklich war. Der Haupttrakt wies große Löcher in der Mauer auf, auch auf dem Dach fehlten einige Schindeln. Am Turm hatte ebenfalls der Zahn der Zeit genagt, und aus den Treppen waren Steine herausgebrochen.
Ich suchte den Eingang.
Er befand sich vor mir. Allerdings mußte ich erst durch einen Torbogen, über den ein Teil der Mauer lief.
Man hatte mich gewarnt. In diese Burg sollten zahlreiche Fallen vorhanden sein.
Sorgfältig tastete ich mit den Blicken den Boden vor mir ab, doch ich sah nichts, was meinen Verdacht erregt hätte.
Mit Falltüren hatte ich in der letzten Zeit des öfteren unangenehme Bekanntschaften gemacht.
Es fiel auch kein Eisengitter aus dem Durchlaßbogen, und ich konnte mich ungehindert dem Eingang nähern.
Keine Ratte strolchte auf dem Burghof herum.
Alles friedlich…
Ich schritt die Stufen zum Portal hoch.
Suchend blieb ich stehen, denn ich sah weder einen Klopfer noch einen Klingelknopf.
Dafür jedoch ein Seil, dessen Ende einen halben Meter über meinem Kopf pendelte.
Ich streckte die Hand aus und zog kräftig.
Irgend etwas wurde drinnen in Bewegung gesetzt, denn es läutete. Das Echo schwang noch nach, als ich bereits Schritte hörte.
Im normalen Tempo näherten sie sich der Tür. Die große gußeiserne Klinke bewegte sich nach unten, dann wurde die Tür aufgezogen.
Vor mir stand der Besitzer der Burg.
Rocky Koch!
Wild sah er aus mit seinem Bart und der dunklen Kleidung, doch ich konnte nichts Unheimliches oder Dämonisches an ihm feststellen, nur Mißtrauen.
Es nistete in seinen Augen. »Was wollen Sie?« fragte er barsch. Er hielt die Tür so fest, daß er sie sofort wieder zuhämmern konnte.
»Sind Sie Rocky Koch?«
»Ja.«
»Mein Name ist John Sinclair.«
»Nie gehört.«
»Trotzdem möchte ich mit Ihnen reden, Mr. Koch.«
»Aber ich nicht mit Ihnen, Mister. Machen Sie, daß Sie wegkommen! Hauen Sie ab!«
»Ich will den weiten Weg nicht umsonst gemacht haben«, erklärte ich. »Außerdem interessieren mich Ihre lieben Tierchen. Sie haben es doch mit den Ratten – oder nicht?«
Er war schon im Begriff gewesen, die Tür zuzuhämmern, jetzt hielt er inne. »Wie meinen Sie das denn?«
»Man erzählte mir davon in Southwick.«
»Weshalb sind Sie gekommen?«
»Um mich zu überzeugen, ob die Leute recht haben.«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Vielleicht…«
Plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck. Er deutete so etwas wie ein Lächeln an. »Kommen Sie doch herein, Mister. Es ist mir eine Ehre, mit Ihnen reden zu können.«
Ich nahm die Einladung an und hoffte, daß es Suko
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