0118 - Der Drachengott von Bali

Trommeln nicht?«
    Nun lauschte auch Häuptling Leasa.
    Sein Gesicht verklärte sich.
    »Weiße sind gekommen«, sagte er. »Eine Frau ist dabei. Der Mann und die Frau wollen uns besuchen, aber unsere Freunde in Gitnang wissen nicht, was sie tun sollen.«
    »Wir werden es ihnen mitteilen«, sagte Sokor. »Die Fremden wollen Träger haben. Unser Freund Bazoa wird sie ihnen geben. Du sorgst dafür, Leasa?«
    Der Häuptling drückte seine Tochter an sich.
    »Ich werde zum Trommler gehen«, sagte er.
    Der Drachendämon saß in seinem Käfig und stieß blutigen Rauch aus.
    ***
    Zamorra und Nicole saßen in der Hütte des Häuptlings. Sie hatten ein paar Kerzen aus dem inzwischen vorgefahrenen Jeep geholt und sie angezündet.
    Die Hütte selbst war bis auf ein paar Schlafmatten leer. Zamorra breitete ihre Schlafsäcke darüber.
    Da kam Siri herein. Auch er hatte sich ausgezogen. Sein Oberkörper war jetzt nackt. Er unterschied sich kaum mehr von den zwergwüchsigen Dorfbewohnern.
    »Brauchen Sie noch etwas, Herr?«
    »Ja. Bringe frisches Wasser und meine Reisetasche.«
    »Wird sofort gemacht, Herr.«
    Als er wieder draußen war, sahen Zamorra und Nicole sich an. Nicole hatte wieder ihre Falte über der Nasenwurzel. Ein Zeichen dafür, daß sie angestrengt nachdachte.
    »Hast du nicht auch den Eindruck, Chef, daß Siri sich im Laufe des heutigen Abends verändert hat?«
    Zamorra nickte verdrossen.
    »Diesen Eindruck habe ich allerdings. Er ist kaum mehr von den Leuten aus Gitnang zu unterscheiden. Ich habe gesehen, daß er richtig aufgelebt ist hier. Sein örtlicher Dialekt wurde von Stunde zu Stunde besser. Er fühlt sich hier wohl.«
    »Hm«, meinte Nicole. »Wie ein heimgekehrter Sohn.«
    Zamorra sagte nichts mehr darauf.
    Mit Siri war in der Tat eine Wandlung vorgegangen. Es war ihm anzusehen, daß er hier zu Hause war.
    Plötzlich blieb Zamorra steif stehen.
    »Hörst du's?« fragte er Nicole.
    »Was?«
    »Trommeln. Oben, vom Berg her.«
    Nun lauschte auch Nicole. Sie wurde ein wenig blaß.
    »Tatsächlich«, sagte sie. »Ein seltsamer Rhythmus.«
    »Vor zehn Minuten hat einer draußen vor dem Dorf getrommelt. In einem ähnlichen Rhythmus.«
    Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, weil Siri in die Hütte schlüpfte. Er hatte die Reisetasche und einen Krug Wasser dabei.
    »Noch etwas, Herr?«
    »Ja. Du bist doch in dieser Gegend aufgewachsen. Was bedeuten diese Trommelzeichen?«
    »Ich hab's vergessen, Herr.«
    »Dann geh zu Bazoa und frag ihn.«
    »Das könnte ich tun, Herr.«
    »Dann geh und tu's, verdammt noch mal.«
    Siri verzog sich.
    »Glaubst du, das ist wegen uns?« fragte Nicole nach ein paar Sekunden.
    Zamorra zuckte mit den Achseln.
    »Ich möchte es nicht ausschließen. Ich fürchte, daß wir den ganzen Weg umsonst gemacht haben. Nichts läuft so, wie ich's dachte.«
    Nicole schwieg betroffen und kaute auf ihrer Unterlippe herum.
    »Wird es mehr, als nur eine kleine Forschungsreise?« fragte sie nach einer Weile.
    Zamorra wußte sehr gut, worauf Nicole anspielte. Ihre Frage hing damit zusammen, daß Zamorra mehr war, als nur ein Parapsychologe. Eingeweihten war bekannt, daß er auch ein Dämonenjäger war.
    »Das werden wir gleich wissen«, antwortete Zamorra gepreßt und zog den Reißverschluß seiner Tasche auf.
    Obenauf lag die »Djakarta Times« von heute. Er hatte sie achtlos mit in die Tasche genommen, weil sie bei ihrem Aufbruch auf dem Tisch des Hotelzimmers gelegen hatte.
    Zamorra legte das Blatt beiseite und wühlte in seinen Sachen. Er hatte bald gefunden, was er suchte.
    Das schwarzlederne Etui fühlte sich warm an.
    Nicole beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn.
    »Du hast dein Amulett mitgenommen?«
    »Ich nehme es immer mit.«
    »Und?«
    Zamorra antwortete nicht sofort. Das Etui wurde noch wärmer in seiner Hand.
    Dann klappte er es auf.
    Das silberne Medaillon war auf Samt gebettet. Es gleißte und glitzerte, wie es der kargen Beleuchtung nicht angemessen war.
    Es hatte eine eigene Bewandtnis mit diesem Amulett. Zamorra hatte es zusammen mit einem Schloß im Loiretal geerbt. Ein Vorfahr von ihm, ein berühmter Magier namens Leonardo de Montagne, hatte es ihm vermacht.
    Das Silber barg Zauberkräfte in sich. In den richtigen Händen vermochte es Gespenster zu bannen und Dämonen zurück in ihr Schattenreich zu treiben. Als Zamorra das erkannt hatte, war er notwendigerweise zum Schrecken der Wesen aus dem Zwischenreich und aus der Welt der Toten geworden. Deshalb nannten ihn Eingeweihte auch