0119 - Königin der Seelenlosen
eines Europäers scheren, dessen Leben nur ein wegzuräumendes Hindernis war auf einem Weg, den Saakuul ihm vorgezeichnet hatte und an dessen Ende alles Glück dieser Welt auf ihn wartete?
Er schenkte der Frau keinen Blick mehr, schlug die Vorhänge beiseite und trat vor das Zelt.
Wie ferngesteuert wanderte sein Blick hinüber zum Zelt Justin Malders, seines Opfers…
***
Einen der Posten sah Hassan al Jareff vor dem Zelt auf und ab patrouillieren. Der andere schlenderte gerade zum Camp herüber, wohl mit der Order, hier nach dem Rechten zu sehen.
Der Mann schwankte leicht.
In einer Falte seines Gewandes schlossen sich al Jareffs Finger um den Griff seiner Pistole. Nachträglich bedauerte er seinen Geiz, daß er die Waffe damals in Tanger nicht mit dem dazugehörigen Schalldämpfer gekauft hatte. Das hätte sein Problem vereinfacht, denn seine 38er Automatic war niemals registriert worden. Sie war auf Kuttern von Schmugglern nach Marokko gelangt.
Die Hand glitt wieder aus dem Kaftan heraus. Er durfte nicht schießen. Er konnte nicht schießen. Eine 38 er Automatic machte einfach zuviel Lärm.
Der Polizist sah Hassan al Jareff und kam direkt auf ihn zu. Die beiden Männer waren einander vorgestellt worden.
»Alles in Ordnung?« fragte der junge Beamte.
»Ganz sicher«, antwortete Hassan al Jareff bestimmt. »Ich habe nichts Verdächtiges bemerkt. Ich glaube, Sie und Ihr Kollege sind umsonst gekommen. Die Rebellen werden es nicht noch mal wagen.«
Der Araber hatte sich auf Justin Malders Version von den Geschehnissen der vergangenen Nacht eingestellt, denn nun erkannte er ihren Sinn. Angebliche Dämonenreiter ins Spiel zu bringen, schien ihm nicht opportun. Dabei war er mit Leib und Seele Opportunist.
Ja - wenn er die Posten losgeworden wäre, und das möglichst schnell -, dann hätte der Ausführung seiner dunklen Pläne nichts mehr im Wege gestanden.
Ihm blieb nur eine Wahl. Er mußte die störenden Polizeibeamten ablenken oder anderweitig außer Gefecht setzen.
Daß Justin Malder inzwischen schlief, sah er daran, daß die Kerosinlampe in seinem Zelt verlöscht war. Der zweite Posten ging davor auf und ab. Wenn der erst mal weg war, konnte ihn nichts mehr daran hindern, seinen Dolch zwischen die Rippen des Wissenschaftlers zu jagen.
In diesem Augenblick fiel ihm Ossina ein. Sie war ein williges Werkzeug in seinen Händen. Sie würde alles sagen, was immer er auch von ihr verlangte. Jeden Meineid würde sie schwören und bestätigen, daß er - Hassan al Jareff - zum Zeitpunkt des Mordes an Justin Malder bei ihr auf den Fellen gelegen und währenddessen an alles mögliche gedacht habe, nur nicht an die Auslöschung eines Lebens.
Eher ans Gegenteil.
Ossina, die Nutte aus Bou-Izakarn, wurde gut bezahlt. Frauen taugten hier in dieser abgeschiedenen Region gerade noch als Entlastungszeugen.
Doch einen Mann belasten konnten sie nicht. Kein Gericht von Marokko würde den Anschuldigungen einer Hure glauben, noch dazu dann, wenn sie gegen einen Mann ausgesprochen wurden, der nicht ganz unvermögend war.
Die Frau war intelligent genug, das zu wissen. Sie würde niemals querschießen.
Hassan al Jareff musterte den jungen Polizeibeamten mit einem nachdenklichen Blick.
Wie konnte er den Mann dazu bringen, seinen Kollegen vom Zelt Justin Malders wegzulocken?
Die Männer standen nah beieinander. Hassan al Jareff konnte beim Polizisten eine schwache Fahne riechen. Der folgende Gedanke lag nahe.
»Man hat euch ans Ende der Welt deportiert«, meinte er. »Habt ihr etwas ausgefressen?«
Der Polizist nahm sofort eine feindselige Haltung an, doch Hassan al Jareff winkte geistesgegenwärtig ab.
»So war das nicht gemeint, junger Freund. Vertragt ihr keine Scherze mehr? Als ich noch bei der Polizei war, wurde nicht gleich jedes Wort auf die Goldwaage geworfen.«
Der Beamte schaute erstaunt auf. Seine Muskeln entkrampften sich. »Sie waren mal ein Kollege von uns?«
»Natürlich«, log Hassan al Jareff im Brustton der Überzeugung. »Vier Jahre lang. Dann machte ich eine kleine Erbschaft und quittierte den Dienst. Ich komme auch so ganz gut zurecht.«
Der Polizist schaute al Jareffs Prunkzelt an und nickte verständnisvoll.
»Ich bin der Oberaufseher hier«, fuhr der Dolmetscher fort. »Für diese Nacht habe ich zehn Wachen aufgestellt. Prächtige, verläßliche Männer. Wollen Sie sich wirklich auch noch die Beine in den Bauch stehen? Ich hätte da ein paar wesentlich bessere Vorschläge.«
Der Polizist schien
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