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012 - Der Schatten des Vampirs

012 - Der Schatten des Vampirs

Titel: 012 - Der Schatten des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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ihm sei, sich eine solche Gelegenheit entgehen zu lassen. Seinen Todfeind in der Gewalt zu haben und ihn nicht zu töten, war für sie unbegreiflich.
    Wieder andere nahmen an, dass Santiago sich eine besonders grausame Hinrichtungsart ausgedacht habe, die er später vollziehen wolle. Sie bedauerten natürlich, das blutige Ende der Tragödie nicht mitzuerleben.
    Diese Ungewissheit erhöhte die Spannung, weil jeder sich fragte, was Santiago wohl vorhabe.
    Sie brauchten nicht lange zu warten.
    Santiago sprach langsam, jedes Wort betonend, und das Messer an der Kehle unterstrich seine Rede:
    „Ich habe geschworen, dein Leben zu schonen, und ich werde mein Wort halten, aber dafür musst du jetzt hier, vor allen, meine Fragen beantworten.“
    Die Zuschauer drängten sich noch enger zusammen, denn keiner wollte eine Silbe verlieren.
    „Jetzt und hier! Vor allen!“ wiederholte Santiago. „Antworte mir, ja oder nein, ist Concha freiwillig zu dir gekommen oder mit Hilfe des Teufels?“
    Es wurde ganz still, Keinen überraschte diese Frage, denn jeder, ob Indianer oder Brasilianer, ob Mädchen oder Seringueiro, jeder hier in dieser verlassenen Gemeinschaft am Rande des Urwalds, glaubte an Gott, an den Teufel und an die Geister der Vergangenheit, die in den letzten Jahrtausenden dieses Land beherrscht hatten.
    Felipe schloss die Augen. Er wusste, was er riskierte, wenn er gestand. Noch hatte er einige Sympathie bei den Seringueiros, die offensichtlich nicht vergessen hatten, dass er der ursprüngliche Liebhaber des Mädchens gewesen war, und dass Santiago ihm seine Concha weggenommen hatte. Aber vor Zauberei hatten sie alle Angst und wollten nichts damit zu tun haben, denn sie wussten, was man damit anrichten konnte. Wer mit den finsteren Mächten im Bund stand, verfiel der allgemeinen Verachtung.
    Er hätte leugnen können, aber dann schoss ihm blitzartig durch den Kopf, dass er ja nicht mehr viel zu verlieren hatte. Immerhin lebte er, und so konnte er wenigstens hoffen, dass sich die Weissagung der Bruja erfüllen würde. Wenn ihm Conchas Liebe endgültig verloren war, dann müsste das Verderben über Santiago hereinbrechen.
    Wie Gift träufelte er seinem Gegner ins Ohr, dass sein Sieg nur von kurzer Dauer sein werde, weil die schwarzen Mächte ihn, Felipe, noch nicht verlassen hätte. Obwohl er das Messer noch immer an der Kehle spürte, konnte er ein böses Lächeln des Triumphs nicht unterdrücken.
    „Ja, ich habe Concha verhext!“ presste er heraus. „Ich habe sie mit einem Zauberlied zu mir gelockt und verführt.
    Und auf dein Haupt habe ich das Unglück herab beschworen.“
    Santiago erschrak. Aber er ließ sich nicht provozieren – er stach nicht zu. Allgemeines Entsetzen breitete sich aus. Wenn man auch auf irgendwelche dunklen Machenschaften gefasst gewesen war – das brutale Geständnis in aller Öffentlichkeit ließ die Zuschauer geradezu erstarren. Die Frauen bekreuzigten sich, die Männer taten es ihnen nach.
    In diesem Augenblick kam Concha, die der junge Seringueiro geholt hatte. Sie strahlte über das ganze Gesicht, weil Santiago gesiegt hatte, und wollte sich zu ihm hin drängen. Aber die „Mama“ hielt sie auf, als sie die Menschenmauer durchbrechen wollte.
    Santiago sah sie wohl, aber er rührte sich nicht.
    Er drückte sein Knie auf Felipes Brust und hielt die Machadila noch immer auf seine Kehle gerichtet.
    „Ihr seid alle Zeugen!“ rief er aus. „Dieser Mann hat das Schicksal herausgefordert, aber ich habe ihn besiegt, und das ging mit rechten Dingen zu. Dabei ist das noch gar nicht alles. Felipe, gib zu, dass ich dich heute Nacht erwischt habe, wie du um die Posada geschlichen bist, wo die ‚Limpia’ veranstaltet wurde. Du weißt genau, dass kein Mann zuschauen darf. Hast du hineingesehen? Hast du Concha bei der Messe beobachtet? Ja oder nein!“
    Concha wurde blass. Die „Mama“ und die anderen Frauen wären am liebsten auf ihn losgegangen. Felipe entschloss sich zur Flucht nach vorn. Wenn überhaupt etwas, dann half ihm nur noch Frechheit.
    „Ja, damit du es weißt, ich habe alles gesehen!“ rief er herausfordernd. „Und darum war die ganze ‚Limpia’ umsonst. Sie hat nicht gewirkt, überhaupt nicht! Du kannst die Bande nicht zerreißen, die Concha und mich verbinden. Nie!“ In diesem Moment erhielt er ein paar ungeheure Ohrfeigen. Santiago konnte nicht mehr an sich halten. Er hatte zwar versprochen, ihn nicht zu töten, aber er musste ihn schlagen, so wütend war er.
    Die Menge

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