012 - Freie Seelen
Marlowe nach. Sämtliche Papiere waren überarbeitet worden: Fingerabdrücke wurden zum Beispiel angepasst, genauso wie die Unterschrift oder die Netzhautdaten. Allerdings nur in den Papieren, nicht in den Aufzeichnungen der Mechanics-Computer. Diese musste er erst noch manipulieren – irgendwie. Wie lange konnte er unentdeckt bleiben? Was würde ihn erwarten? Würden neuerliche Überprüfungen stattfinden? Würde die Zeit für eine gelungene Manipulation reichen? Oder war der Ruf der Sicherheitsleute von Mechanics Inc. übertrieben und kochten diese in Wirklichkeit auch nur mit Wasser?
Er schüttelte die düsteren Gedanken ab und bestellte eine weitere Tasse Kaffee. Die rothaarige Bedienung lächelte ihm aufmunternd zu, ein Zeichen, sich am Riemen zu reißen.
Er versuchte, die Sache positiv zu sehen. Wie erwartet, hatte ihn das intensive Training die Tests bestehen lassen. Morgen würde er seinen Job antreten. Ein weiteres Mal war er Servicetechniker. Diesmal halt unter dem Decknamen Philip Marlowe.
Er trank seinen Kaffee aus, bezahlte und verließ das Lokal. Er wollte ausgeschlafen sein, wenn er seinen zweiten und letzten Auftrag aktiv anging. Schließlich ging es um seine ganz persönliche Zukunft.
*
15. Juli 2063
»Leb dich mal richtig aus.«
Der Vanaismus hatte einen gewaltigen Nachteil. Und das war der Tag danach. Freie Seelen sei dank, gab es aber auch dafür ein Gegenmittel mit dem sinnigen Namen The Morning After . Halb blind, weil immer noch benommen, tastete er nach der Tube.
Ein Blick zur anderen Seite des Bettes zeigte ihm, dass der Vulkan erloschen war. Auf und davon, wahrscheinlich ohne Abschiedsbrief, ja, gar ohne Telefonnummer.
»Leb dich mal richtig aus.«
Und weg. Leider musste man, um dem Slogan gerecht zu werden, jeden Tag wieder auf die Pirsch gehen, galt doch die Regel, den gleichen Partner niemals zwei Nächte hintereinander zu haben. Man lebte schließlich im Jetzt und da tat Abwechslung Not.
Es war oberstes Gesetz, der Versuchung der Gewohnheit und Sicherheit zu entsagen. Und eine Wiederholung des Vortages war der Anfang der Bürgerlichkeit, ein Zurückfallen in alte Verhaltensweisen.
Was natürlich nicht für The Morning After galt. Fluchend versuchte er, sich in der Unordnung zurecht zu finden. Dann hatte er die Tube endlich entdeckt und drückte sich eine Ladung in den Mund.
Pfefferminzgeschmack, sein momentaner Favorit. Gierig schluckte er den Stoff hinunter und fiel zurück auf das Bett. Nur wenige Minuten später trat die Wirkung ein und er war wieder fit und ausgeschlafen, nur ein kaum spürbares Ziehen im Kopf blieb.
Scheiß drauf!
Mathew erhob sich und durchstreifte die Zwei-Zimmer-Wohnung. Achtzehn Quadratmeter, mehr war nicht drin, nicht, ohne woanders einzusparen und dazu war Wohnraum nicht attraktiv genug. Er wollte schließlich leben, nicht wohnen.
Er schmiss sich drei Trance ein. Während er auf die Wirkung wartete, fiel ihm die Tasche in der Ecke auf. Die hatte wohl der Vulkan vergessen. Mann, war die eine Nummer gewesen. Bei dem Gedanken regte sich eine Etage tiefer seine bessere Hälfte. Mann, was für eine Wucht!
Neugierig packte er sich die Tasche und durchsuchte sie. Vielleicht konnte er sich doch wieder mal mit dem Vulkan treffen. Wenn schon nicht morgen, dann irgendwann.
Nichts, kein Ausweischip, keine sonstigen Hinweise. Aber was war das? Ein Datenträger.
Er legte ihn in den Hauscomputer ein und studierte die Daten. Was war denn das für ein Kram?
Plötzlich durchfuhr es ihn siedendheiß. Das versprach gefährlich zu werden. Scheiße! An was war er denn da geraten? Diese blöde Nutte, die würde ihn voll rein reißen. Er war im Arsch!
»Leb dich mal richtig aus.«
Das Trance begann zu wirken. Der Vulkan wurde lebendig. Diesmal waren die Haare goldblond. Sie trug einen Hauch von einem weißen Nichts, diesmal blieben die Titten züchtig verdeckt, doch der Stoff verbarg nichts. Die rosa Brustwarzen leuchteten plötzlich golden auf, brachten seine Seele zum Klingen. Der Vulkan stieg in die Lüfte, die Schwingen majestätisch ausgebreitet. Er spürte eine fast magische Anziehungskraft und er schwebte ihr entgegen, während sich die Perspektive verschob.
Plötzlich war sie über ihm, riesengroß und füllte sein ganzes Gesichtsfeld aus.
Im hintersten Winkel seines Verstandes dachte er noch: Hoffentlich finden die Typen, von denen der Datenträger ist, mich jetzt nicht.
Dann breitete der Vulkan seine weichen Arme um ihn und brachte
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