0120 - Die Stunde der Vampire
bewerkstelligen?
Als Gefangener der Vampire natürlich…
Es wurde höchste Zeit.
Die Kreaturen, die sich bisher mit dem Ernten von Maiskolben beschäftigt hatten, stellten ihre Tätigkeit jetzt ein und machten Anstalten, ebenfalls in ihr jenseitiges Reich zurückzukehren.
Zamorra handelte. Leise näherte er sich dem Silberfeuer noch ein Stück, sprang dann auf einmal hoch und tat so, als wolle er in wilder Flucht davonjagen.
Seine List gelang.
Die Vampire bemerkten ihn und… stürmten auf ihn los.
Zamorra ließ es zu, daß sie ihn im Handumdrehen eingeholt hatten. Zum Schein wehrte er sich, als sie eiskalte, klauenartige Hände nach ihm ausstreckten. Dann ergab er sich in sein Schicksal.
Sie schleppten ihn zum Feuer, warfen ihn hinein.
Zamorra hatte das Gefühl, zum Eisklumpen zu werden. Die Sinne schwanden ihm.
***
Ein schier unerträglicher Schmerz war die erste Empfindung, die in Zamorras Bewußtsein eindrang, als er wieder zu sich kam. Ein Schmerz, der ihm fast die Brust zerriß. Und er wußte sofort, was die Ursache des Schmerzes war: sein Amulett, das hier in der Welt der Finsternis auf Hochtouren arbeitete.
Der Professor biß die Zähne zusammen. Er durfte sich nichts anmerken lassen. Unter allen Umständen mußte er die Existenz des Amuletts so lange geheimhalten, bis er es erfolgreich einsetzen konnte.
Er schlug die Augen auf.
Und blickte in das Gesicht eines alten Freundes…
»Bill!«
»Zamorra, alter Freund!« Ein schmerzliches Lächeln glitt über die vertrauten Züge des Kulturhistorikers. »Und ich weiß nicht mal, ob ich mich freuen soll, dich hier zu sehen.«
Zamorra lächelte ebenfalls. »Oh, ich freue mich schon. Es ist schön, einen Freund wiederzusehen, den man bereits verloren geglaubt hat.«
»Ich bin verloren«, sagte Bill Fleming leise. »Und du und Nicole - ihr seid es ebenfalls.«
»Nicole?«
Bisher hatte Zamorra gelegen. Jetzt richtete er sich ruckartig auf.
»Nicole ist hier?«
Fleming nickte. »Ja. Aber es sieht fast so aus, als ob du das nicht wußtest.«
»Nein, das wußte ich nicht… Wo ist sie?«
»Noch bewußtlos. Aber ansonsten geht es ihr gut. Den Umständen entsprechend…«
Der Professor blickte sich um, machte sich mit seiner neuen Umgebung vertraut. Sie war erschreckend genug. Um ihn herum waberten Nebel in chaotisch schillernden, stetig wechselnden Farben. Ein blutiges Rot wich schwefligem Gelb. Dieses wiederum ging über in ein düsteres Violett. Und er nahm weitere Farben wahr, Farben, die es eigentlich gar nicht gab. Die chamäleonartigen Nebel waren überall - vor ihm, hinter ihm, über ihm. Er saß sagor darauf und atmete die Schwaden ein. Zamorra machte sich über die unmöglichen physikalischen Grundlagen keine großen Gedanken. In der Welt des Jenseits herrschten andere, nur schwer begreifbare Gesetze.
»Wo sind die Vampire, Bill?« wollte er wissen.
»Du weißt über alles Bescheid, Zamorra?«
»Über alles? Nein…« Der Professor berichtete in kurzen Worten, was er herausgefunden und was zu seinem Hiersein geführt hatte. »Warum die Unholde all die Menschen verschleppt haben, entzieht sich bisher noch meiner Kenntnis. Kannst du es mir sagen, Bill?«
Der Amerikaner öffnete den Kragen seines Sporthemdes, deutete auf seinen Hals.
»Darum, Zamorra!«
Der Professor beugte sich vor, sah die blutigen, geschwollenen Male an der Kehle des Freundes, die noch nicht verheilt waren.
»Vampirbisse!«
»Du sagst es. Weißt du, was wir hier sind, Zamorra? Wir sind Vieh, Vieh auf der Weide! Oder besser gesagt, Kühe im Stall! Blutkühe sozusagen. Wir werden gefüttert mit Konserven oder ganz einfach auch nur mit Maiskolben, die wir abknabbern dürfen. Und wir werden gemolken - wieder und immer wieder!«
»Soll das heißen…«
»Ja, das soll es heißen. Die Vampire saugen uns regelmäßig Blut ab. Niemals so viel, daß wir uns nicht wieder erholen können, o nein. Wer bringt schon seine Milchkühe um? Wir müssen lange halten. Fünf mal fünf Jahre! Erst dann sind die magischen Voraussetzungen wieder so, daß unsere Herren sich eine neue… Herde in unserer Welt beschaffen können.«
»Das…, das ist ungeheuerlich!« Zamorra brauchte ein paar Augenblicke, um das ganze Ausmaß dieser Teufelei zu erfassen. »Woher weißt du das alles, Bill?«
»Von den Vampiren natürlich. Sie machen gar keinen Hehl daraus. Ein guter Bauer spricht mit seinem Vieh, nicht wahr? Brav, Rosa, du bist ein gutes Tier. Und so einen großen Eimer gute Milch hast du
Weitere Kostenlose Bücher