0121 - Ich suche Jerry Cotton
der mit solchen Methoden in einem Büro arbeitete, dessen Decke jeden Augenblick herabkommen konnte.
Er machte den Eindruck eines gemütlichen Onkels. Wie ein Kriminalist sah er kein bißcjfien aus.
Wahrscheinlich war er deshalb ein um so besserer.
»Na«, gähnte Adree, »was will denn der hohe FBI in meinem Palast?«
»Es handelt sich um den Toten, den wir gestern aus dem Hudson fischten«, erklärte ich.
»Wir? Waren Sie dabei?«
»Ja«.
»Wieso?«
»Ein Kollege von mir ist in New York seit einigen Tagen verschwunden -«
Er unterbrach:
»Cotton?«
»Ja. Sein Wagen wurde am Hudson gefunden. Als wir uns die Stelle genauer ansahen, entdeckten wir eine Schleifspur, die in den Fluß führt. Das Ergebnis dürften Sie im Schauhaus liegen haben.«
»So so«, murmelte er. »Ich war gestern gerade in einer anderen Sache unterwegs, als uns der Leichenbefund gemeldet wurde, sonst hätten wir uns ja gestern schon gesehen. Welcher Art ist das Interesse des FBI an diesem Fall?«
»Uns interessiert eigentlich nur, ob der Tote in irgendeinem Zusammenhang mit dem Verschwinden meines Freundes steht.«
»Hm. Es gibt auch noch eine andere Sache, für die sich das FBI in diesem Zusammenhang interessieren muß.«
»Und zwar?«
»Wir fanden in den Taschen des Toten außer zwei Packungen normaler Zigaretten -«
»Was für eine Marke?« unterbrach ich ihn.
»Winston-Filterzigaretten.«
Da hatten wir den Mann, der seinen Zigarettenstummel im Wagen von Jerry zurückgelassen hatte.
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbrach«, sagte ich. »Was fanden Sie also noch?«
Er zog seine Schreibtischlade auf und warf mir ein Päckchen zu. Ich fing es auf und zog das Zeitungspapier auseinander, mit dem es eingewickelt war.
Ein Kästchen fiel mir in die Hände, etwa so groß wie eine Zigarrenkiste für fünfzig Stück der mittleren Preislage.
»Sie können es ruhig anfassen«, sagte Adree. »Es ist kein Leichengift dran, und Spuren waren auch nicht vorhanden. Das rauhe Holz nimmt keine Fingerabdrücke an.«
Ich klappte den Deckel hoch. Etwa zweihundert selbstgerollte Zigaretten lagen darin. Sie waren einmal naß gewesen, aber inzwischen wieder getrocknet, was man an dem welligen Papier leicht sehen konnte, das von Tabaksäften braun geworden war.
Ich warf Adree einen fragenden Blick zu.
»Was meinen Sie?« erkundigte er sich.
»Marihuana?« riet ich.
»Genau.«
Ich besah mir die Röllchen. Kleine, unscheinbare, selbstgedrehte Zigaretten. Und doch eines der widerlichsten Rauschgifte. Gefunden bei einem Mann, der offenbar in Jerrys Wagen gesessen hatte, als der Wagen zum letztenmal gefahren worden war. Wahrscheinlich derselbe Mann, dessen Blut den Vordersitz besudelt hatte.
»Man müßte Hellseher sein«, murmelte ich.
»Ja«, stimmte Adree zu. »Das müßte man. Ich habe mir natürlich von Parker genau erzählen lassen, wo der Wagen stand, wie er aussah und so weiter. Interessiert Sie meine Theorie?«
»Sehr sogar.«
»Ihr Kollege saß gar nicht mehr im Wagen, als der Jaguar hier herauf nach Yonkers gesteuert wurde.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Passen Sie auf! Der Mann ist ermordet worden. Und zwar, während er auf dem Vordersitz saß. Das ist durch den gerichtsmedizinischen Befund ziemlich sicher. Er wurde durch das geöffnete Seitenfenster des Wagens aus einer Pistole mit sehr kleinem Kaliber erschossen. Wegen des kleinen Kalibers hatten die Kugeln auch keine Durchschlagskraft und blieben in seiner Brust. Aber es wurde zweimal eine der Hauptschlagadern getroffen, deshalb das viele Blut. Erstens: Wie sollte der Mann in den Wagen kommen, wenn Ihr Kollege drin gesessen hätte?«
»Vielleicht wollte Jerry etwas von ihm?«
»Dann wäre er doch nicht mit ihm nach Yonkers gefahren, sondern zu eurem Office. Zweitens aber, wie sollte der Mann auf den Vordersitz kommen, wenn Ihr Kollege im Wagen gewesen wäre?«
»Donnerwetter!« stimmte ich zu.
»Da haben Sie recht! Wer Jerry kennt, der weiß, daß er selten einen Fremden mitnimmt. Nur wenn er verwundet wäre, hätte er jemanden ans Steuer gelassen.«
»Wenn er verwundet wäre, hätte man auf einem anderen Sitz oder auf dem Boden des Wagens wenigstens mikroskopisch kleine Blutspuren gefunden. Nach der Auskunft Ihres Labors ist das nicht der Fall. Ich habe dort angerufen.«
Ich hatte recht gehabt.
Adree war ein Kriminalist und ein fähiger dazu. Das bewies schon die Art, wie er eine Theorie entwickelte und gleichzeitig an den entscheidenden Stellen durch die
Weitere Kostenlose Bücher