0121 - Ich suche Jerry Cotton
Bartstoppeln verursachten ein kratzendes Geräusch.
»Warum eigentlich?« fragte ich. »Die Bande wird Joho doch nicht helfen! Schließlich hat er einen ihrer Leute umgebracht!«
Mister High lächelte:
»Phil, wir haben heute unseren Glückstag! Morton hat glaubhaft ausgesagt, daß er Rightword nicht kennt und ihm auch niemals einen Brief gegeben haben kann, weder an Joho noch an irgendeinen anderen gerichtet.«
»Also war der Brief, mit dem Rightword bei Joho auftauchte, eine Fälschung?«
»Ja. Das Verhör des Hehlers Morton hat das zweifelsfrei ergeben. Wenn Rightword aber mit einem Brief zu Joho geschickt wurde, der offensichtlich falsch war, warum sollte ihn nicht die eigene Bande damit hingeschickt haben?«
»Das verstehe ich nicht, Chef!«
»Rightword könnte doch aus irgendeinem Grunde der Bande lästig geworden sein. Sie schickte ihn mit einem Brief, der angeblich vom Hehler Morton stammte, zu Joho. In dem Brief kann irgend etwas gestanden haben, was Joho zwang, Rightword zu töten. Damit hatte die Bande zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Sie war den aus unbekannten Gründen lästig gewordenen Rightword los - und der Mörder stand nicht iri ihren eigenen Reihen, so daß die Polizei auch nicht nach dieser Bande fahnden würde.«
Ich stieß einen Pfiff aus:
»Chef, ich finde diese Theorie sehr gut! So müßte es gewesen sein. Dann steht hinter diesen ganzen Geschehnissen ein weitaus klügerer Mann als Joho! Ein Mann, der raffiniert genug ist, die Morde, die er für nötig hält, von Konkurrenzbanden erledigen zu lassen, während er mit seinen Leuten immer schön im Hintergrund bleibt!«
»So ist es«, erwiderte Mister High.
Ich rieb mir die Hände.
»Deshalb paßte nichts zueinander«, sagte ich froh. »Weil wir keine Ahnung von der Existenz dieser Bande hatten. Weil wir immer mit der Crossway, mit Joho, mit Rightword beschäftigt waren. Das alles sind auf einmal unbedeutende Figuren geworden. Der große Boß im Hintergrund, der alles von anderen erledigen läßt, der große Schachspieler, der seine Figuren kühl und berechnend setzt, den müssen wir suchen!«
Mister High stand auf:
»Und den werden wir suchen, Phil. Er hat sich verrechnet, wenn er sich für klüger als die Polizei hält. Wie sich bisher noch jeder mit dieser größenwahnsinnigen Überlegung verrechnet hat. Es ist schon fast neun Uhr. Heute können wir nichts mehr unternehmen. Morgen früh, Phil, erwarte ich Sie um Punkt acht im kleinen Sitzungssaal. Wir werden unsere Mannschaften neu einteilen und auf neue Spuren setzen. Jetzt wissen wir wenigstens, in welche Richtung unsere Arbeit laufen muß. Ich denke, wir haben den Anfang des richtigen Fadens in der Hand…«
***
Auf diese Weise kam ich dazu, einmal eine ganze Nacht richtig auszuschlafen. Als ich am nächsten Morgen den kleinen Sitzungssaal betrat, fühlte ich mich so fit wie in meinen besten Tagen.
»Guten Morgen, Phil«, sagte der Chef, der schon da war. Wie ich später hörte, war er bereits nachts um vier in sein Office zurückgekommen, nur um den neuen Einsatzplan für unsere Leute auszuarbeiten.- »Sie sollen Adree in Yonkers anrufen. Er war schon um halb acht an der Strippe. Tim Sie’s gleich, vielleicht hat er etwas Neues im Zusammenhang mit der Hudson-Leiche.«
»Okay, Chef.«
Ich ging in mein Office und ließ mich mit Yonkers verbinden. Nach kurzem Hin und Her mit der Zentrale von Yonkers stellte man auf Adrees Apparat durch.
»Hallo, Adree!« sagte ich. »Hier ist Decker. Ich hörte, Sie wollten mein edles Organ mal wieder vernehmen?«
»Bilden Sie sich nur nichts ein, G-man«, erwiderte er. »Ich bekam heute früh um halb sieben mit der Kurierpost von Washington den Untersuchungsbefund des Sandes, den wir aus den Hosenaufschlägen von Ackermann herausgelesen hatten. Wissen Sie, aus welcher Gegend der Sand stammt?«
»Woher sollte ich es wissen? Vielleicht verraten Sie es mir.«
»Okay. Passen Sie auf. Kennen Sie Sandy Hook?«
»Ich habe davon gehört. Die nach Norden in die Lower Bay hineinragende Landzunge, stimmt’s?«
»Ja. Auf der Landkarte erstreckt sich links davon die Küste der Lower Bay zwischen Highlands und Union Beach. Die Zusammensetzung des Sandes weist ihn als von dieser Gegend kommend aus.«
»Okay, Adree. Ich nehme an, daß mein Chef nichts dagegen haben wird, wenn ich mir diese Gegend heute mal ein bißchen genauer ansehe.«
»Sie wollen selber runterfahren?«
»Warum nicht?«
»Eigentlich haben Sie recht. Warum nicht?
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