0124 - Wir entrissen den Raubtieren ihr Opfer
Pat. Sie hat ihm einmal geschrieben und niemals Antwort erhalten. Das ist schon lange her, aber er hat auch nicht versucht, sie zu finden.«
»Er wusste eben nicht, dass er einen Enkel hatte. Er hat das erst kürzlich erfahren, und wenn er auch seine Tochter nicht sehen will, so bin ich sicher, dass er ebenso gern wie Sie hundert Grand zahlen wird, wenn er dafür Jimmy erhält.«
»Was soll ich nur tun? Sagen Sie mir, was soll ich tun?«, schrie sie.
»Vor allem, sich beruhigen. Sie müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Der alte Herr ist kein Unmensch und außerdem krank. Er wird mit sich reden lassen, und was Pat anbelangt… Wissen Sie eigentlich ihre Adresse?«
»Nein, die wollte sie nicht sagen. Ich habe auch keine Ahnung, was sie tut und treibt. Schon deshalb hätte ich ihr Jimmy nicht gegeben.«
»Unser nächstes Ziel muss jedenfalls sein, das Kind in die Hände zu bekommen. Ich verspreche Ihnen, dass Sie es sofort zurückerhalten. Über das weitere müssen das Gericht und die Jugendbehörde entscheiden, aber ich glaube nicht, dass Sie schlecht dabei abschneiden werden. Schließlich haben Sie ja für den Jungen gesorgt wie für Ihren eigenen.«
»Er ist mein eigener. Wenn ich nicht wäre… Bei Pat hätte er hungern müssen und wäre gestorben. Sie wollte ihn ja auch gar nicht.«
»Das wird alles zur Sprache kommen. Jetzt aber müssen wir uns entschließen. Es ist halb fünf, und ich habe noch viele Vorbereitungen zu treffen. Ich schicke Ihnen jemand mit dem Geldpaket, und Sie setzen sich allein in Ihren Wagen und sorgen dafür, dass Sie genau um neun Uhr am Rendezvous-Platz eintreff en. Haben Sie keine Angst. Wir werden vorher da sein, auch wenn uns niemand sieht. Sprechen Sie mit der Frau, und wenn Mr. Wheath ebenfalls zur Stelle ist, so streiten Sie sich nicht mit ihm. Wahrscheinlich wird es gar nicht dazu kommen. Wir werden sofort zugreifen, wenn wir sehen, dass der Vogel in der Falle ist. Haben Sie mich verstanden?«
Sie hob resignierend die Schultern.
»Es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben. Mir ist alles gleich, wenn nur Jimmy nichts geschieht.«
»Das ist der vernünftigste und einzig richtige Standpunkt«, lobte ich. »Verlassen Sie sich auf uns.«
Bevor ich ging, rief ich im Districtsbüro an und fragte, ob Phil etwas habe hören lassen. Ich erfuhr, dass er sich gerade gemeldet hatte und sich bereits auf dem Rückweg befand. Ich ermahnte Stephanie Bliss nochmals zur Ruhe und Besonnenheit und machte mich auf die Strümpfe.
***
Bericht von Phil Decker:
Um drei Uhr fünfunddreißig traf ich bei Joshua Wheath ein und fand das ganze Haus in heller Aufregung. Der alte Herr hatte, als er den Erpresserbrief las, einen Herzanfall erlitten. Der Arzt war noch anwesend und empfahl mir äußerste Vorsicht. Mrs. Wheath zeigte sich heute sehr besorgt um ihren Mann. Bevor ich mit ihm sprach, zog sie mich zur Seite und sagte:
»Vergessen Sie unsere Unterhaltung von neulich. Ich habe nicht gewusst, dass die Sache Josh so nahe geht. Wenn seine Gesundheit oder gar sein Leben davon abhängt, dass er den Jungen findet und bekommt, so soll er ihn meinetwegen haben. Schließlich kann das Kind ja nichts für seine Mutter. Ich bitte Sie nur, ihm auszureden, dass er selbst zur Marion Avenue fährt. Ich schlage vor, dass Frank das übernimmt. Ich habe ihn gewaltig ins Gebet genommen, und er wird sein Bestes tun.«
Da auch der Arzt mir etwas Ähnliches gesagt hatte versprach ich, in dieser Hinsicht auf den alten Herrn einzuwirken. Ich erschrak, als ich ihn sah. Der Mann war wirklich krank, krank vor Aufregung. Er zeigte mir den von einer Frauenhand geschriebenen Brief, in dem er aufgefordert wurde, pünktlich um neun Uhr fünf Minuten in der Marion Avenue 216 zu sein und 100 000 Dollar mitzubringen. Er wurde ausdrücklich gewarnt, sich an die Polizei zu wenden, wenn er Wert darauf lege, das Kind wiederzusehen.
Den Brief habe ich natürlich mitgebracht. Mr. Wheath war so klug, trotz der Drohung uns anzurufen. Er besteht aber darauf, dass wir erst dann eingreifen, wenn etwas schief geht. Solange er Aussicht habe, dass ihm Jimmy ausgeliefert werde, dürften wir nichts unternehmen. Ich konnte ihm das mit gutem Gewissen versprechen, denn es wird ja etwas schiefgehen. Mrs. Bliss wird ebenfalls erscheinen und es muss zu einem Zusammenstoß kommen. Aber davon sagte ich nichts.
Mr. Wheath ist übrigens der Überzeugung, seine Tochter Pat stecke hinter der Erpressung. Sie wolle zwei Fliegen mit einer Klappe
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