0124 - Wir entrissen den Raubtieren ihr Opfer
wenn die jetzige Mrs. Bliss nicht zwei Vornamen gehabt und, als sie heiratete, den Rufnamen nicht vertauscht hätte. Letzteres kommt natürlich oft vor. Meistens liegt es an dem Ehemann.
Phil war genauso verdutzt wie ich, als ich ihm sagte, was ich erfahren hatte. Dann trennten wir uns. Mein Freund nahm ein Taxi und fuhr zu Joshua Wheath. Ich selbst brauste ab zu Mrs. Bliss.
Diese wartete schon auf mich. Sie hatte inzwischen nochmals im Office angerufen und erfahren, dass ich bereits unterwegs sei. Sie war kreideweiß, und ihre Hände zitterten. Unter normalen Umständen hätte ich darauf Rücksicht genommen, aber jetzt war mein Zorn zu groß.
»Warum eigentlich haben Sie mich so ungeheuerlich belogen?«, fuhr ich sie an. »Ihretwegen sind zwei Menschen ermordet worden. Hätten Sie die Wahrheit gesagt, so lebten sie beide noch.«
Sie versuchte zu antworten, aber ihre Zähne schlugen im Schüttelfrost aufeinander. Dann tat sie das, was Frauen in solchen Situationen gewöhnlich tun. Sie fiel in Ohnmacht, und es dauerte gute fünf Minuten, bis ich sie mit Hilfe des Zimmermädchens wieder zu sich gebracht hatte. Jetzt lag sie auf der Couch und bibberte.
»Über den Blödsinn, den sie angerichtet haben unterhalten wir uns später noch«, sagte ich. »Zuerst zeigen Sie mir den Brief.«
»Dort drüben auf dem Tisch«, stammelte sie.
Sowohl der Umschlag als auch der Bogen waren mit einer unverkennbaren Frauenhandschrift geschrieben. Diese schien nicht einmal verstellt zu sein. Der Inhalt lautete:
Sehr geehrte Mrs. Bliss!
Wenn Sie Jimmy wiederhaben wollen, so kommen Sie heute Abend pünktlich um neue Uhr nach der Marion Avenue Nummer 216 in Bronx. Bringen Sie 100 000 Dollar in alten, kleinen Scheinen mit. Hüten Sie sich, die Polizei zu benachrichtigen. Ich war so vorsichtig, das Kind anderweitig unterzubringen, und wenn Sie Geschichten machen, werden Sie es niemals finden. Kommen Sie allein. Wenn Sie jemanden mitbringen, werde ich nicht da sein. Seien Sie auf die Minute pünktlich. Stellen Sie Ihre Uhr nach Radiozeit. Das ist wichtig. Wir werden uns dann noch eingehend über Verschiedenes unterhalten müssen.
Der Brief trug keine Unterschrift. Die Schreiberin war keinesfalls eine gewerbsmäßige Erpresserin. Sie hatte nicht die geringsten Vorsichtsmaßregeln ergriffen. Ich war sogar sicher, dass wir ihre Fingerabdrücke darauf finden würden.
»Kennen Sie die Frau?«, fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Fangen Sie nicht wieder an zu lügen. Ist das Pat Wheaths Schrift?«
Sie starrte mich aus weit aufgerissenen, entsetzten Augen an.
»Sie wissen auch das«, flüsterte sie. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht und weinte. »Jetzt ist alles aus«, schluchzte sie.
Ich wusste, was sie meinte, aber ich stellte mich dumm.
»Sie werden sich zusammenreißen und die Verabredung einhalten. Sie werden zur Marion Avenue fahren und ein Geldpaket mitnehmen, das ich Ihnen zurechtmache. Oben werden paar Zehn-Dollar-Scheine liegen und darunter Papier. Ich habe Sie übrigens gefragt, ob Pat diesen Brief geschrieben hat, und vermisse noch die Antwort.«
»Nein, das ist nicht ihre Schrift. Pat würde auch niemals einen Handel um Jimmy abschließen. Sie hat das einmal getan, als sie noch jung und in Not war. Aber jetzt bereut sie es. Sie hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um den Jungen wiederzubekommen.«
»Ich verstehe nur nicht, warum Sie sich dann keinen tüchtigen Anwalt genommen hat«, meinte ich.
»Das wollte sie. Sie hat es mir selbst gesagt, aber der Anwalt machte sie darauf aufmerksam, dass sie eine strafbare Handlung begangen habe und mit einer Gefängnisstrafe rechnen müsse. Da unterließ sie es.« Sie starrte für ein paar Sekunden ins Leere. Und dann straffte sich ihr Gesicht, als sei sie zu einem Entschluss gekommen. »Ich brauche Ihr falsches Geldpaket nicht. Ich werde sofort meine Aktien verkaufen und der Frau die 100 OOODollar bezahlen. Ich will nur meinen Jungen wiederhaben. Wenn Sie versuchen, ihn mir abzunehmen, so bringe ich mich um, und Jimmy auch.«
Ich merkte, dass es ihr verzweifelt ernst warf, aber irgendwie musste ich sie dazu bekommen, mitzuspielen.
»Ich würde Ihnen nicht raten, das Geld mitzunehmen«, meinte ich. »Dieselbe Frau hat auch an Joshua Wheath, Pats Vater, geschrieben, ihm das gleiche Versprechen gemacht und dieselbe Forderung gestellt. Sie würden nur betrogen werden.«
»Der wird bestimmt keinen Cent opfern, um Pats Jungen zu bekommen«, behauptete sie. »Er hasst
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