0125 - Der Teufel aus dem Orient
ihn.
Zum einen mußte Nicole ihre Gedanken klar beisammen haben; Zamorra hatte den Reif in der Hand gehabt, wenn auch nur kurz, so doch bestimmt lange genug, um eine Beziehung zwischen dem Gegenstand und ihm aufzubauen. Eine Beziehung, die zwar schwach war, doch von den Dämonen hätte genutzt werden können. Also hatte Nicole dafür gesorgt, daß der Reif ihnen nicht in die Hände fiel.
Und einen zweiten Nutzen hatte sie sogleich damit verbunden: auf die gleiche Weise konnte nun seinerseits Zamorra durch die Kräfte der Magie versuchen, einen Kontakt zu knüpfen, sie eventuell zu befreien.
Kluges Mädchen! dachte er erleichtert.
Aber wie sollte er diese Chance nutzen, die sich ihm so plötzlich bot? Er konnte sich schlecht hier mitten auf dem Bazar niederhocken und Meditationsübungen beginnen, um dann die latenten Kräfte der Weißen Magie, über die er verfügte, freizusetzen.
Man würde verwundert registrieren, was er trieb, und unter den Muselmanen waren Zauberer ebenso beliebt wie unter den Christen. So ging es also nicht.
Er mußte also einen stillen Winkel aufsuchen. Dorthin gehen, wo er nicht gestört wurde, wo niemand ihn mißtrauisch beäugte.
Ein Haus vielleicht, ein Anbau, ein leerstehender Stall. Oder - eines der Gemächer des großen Palastes! Er kannte den Aufbau der Kalifenresidenz, hatte sich lange genug darin aufgehalten, um zu wissen, wo er einigermaßen unbehelligt einsteigen und einigermaßen unbehelligt seine Beschwörung vornehmen konnte. Doch ein gewisses Risiko blieb…
Nein. Der Palast schied aus.
Zamorra schlenderte weiter, ließ sich von der murmelnden, brabbelnden und keifenden Menschenmenge treiben, bis er eine der kleinen Seitenstraßen erreichte, in die er einbog. Sofort wurde es ruhiger. Das Stimmengewirr wurde zur Hintergrunduntermalung. Seine Sandalen klatschten über den steinigen Boden der schmalen Gasse, während seine Schritte langsamer wurden.
Hier standen die Häuser wieder dicht beisammen. Wenn er Glück hatte, fand er eine schäbige Hütte, die unbewohnt war, oder ein Häuschen, dessen Bewohner eine kurze Zeitspanne lang abwesend waren. Nun, man würde sehen.
Er schritt die Häuserreihe ab. Das Sonnenlicht erreichte nur die Mitte der kleinen Gasse, einen schmalen, hellen Streifen in den Schatten.
So konnte Zamorra auch nicht sehen, was sich draußen vor der Stadt am Himmel abspielte.
Er glaubte wohl, einen Blitz zu sehen und das leise Grollen eines fernen Donners zu hören, das aber war auch schon alles. Er registrierte es nur im Unterbewußtsein, ging nicht darauf ein, verdrängte es. Denn im Moment hatte er andere Sorgen als Lichterscheinungen.
So entging ihm das grauenhafte Geschehen, das für viele Wesen einer den Menschen zu dieser Zeit noch unbekannten Rasse den Tod bedeutete. Das Geschehen, das völlig neue Perspektiven eröffnete und das die Worte Merlins der Erfüllung näher brachten, der gesagt hatte: Jemand benötigt Eure Hilfe! Vergeßt nicht, was Ihr jenen Wesen schuldig seid… Das Rad der Zeit muß sich schließen…!
Daran dachte er längst nicht mehr, als er das leere Haus fand. Er trat durch die offene Tür und sah sich in der Dämmerung um.
Er hatte gefunden, was er suchte.
***
Durch den schlanken, menschenähnlichen Körper mit der silbrigen Schuppenhaut ging ein leichtes Zucken. Aynaar, der Kommandant der GHYNA, erwachte wieder aus seiner Bewußtlosigkeit. Er spürte die sengenden, unbarmherzigen Strahlen der fremden Sonne, die von seiner silbernen Uniform nur unvollständig reflektiert wurden.
Er richtete sich auf. Suchend ging sein Blick in die Runde, nahmen die großen, grünlichen Telleraugen die Szenerie in sich auf. Hier und da lagen andere Körper überall verstreut. Sechs zählte er. Das war alles!
Kälte breitete sich in ihm aus. Sieben von nahezu hundert Wesen waren übriggeblieben, hatten die Vernichtung der GHYNA überstanden! Es war ungeheuerlich, unfaßbar. Einen solchen Blutzoll hatten sie lange nicht mehr zahlen müssen. Denn daß die anderen nicht mehr waren, das wußte er sofort, es gab keinen Zweifel. Denn jeder tote Silberne löste sich sofort auf, zerfiel zu Staub, sobald der letzte Lebensfunke aus ihm gewichen war…
Und so, wie die toten Silbernen sich auflösten, war auch von ihrem Dimensionenschiff nichts übriggeblieben. Es war zerfallen, aufgelöst. Kein Trümmerstück war herabgeregnet, deutete auf den Untergang des stolzen Schiffes hin, mit dem sie den Raum und die Schranken der Dimensionen durchkreuzt
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