0125 - Wir stutzten ihm die Krallen
erhalten.«
»Okay, Stew«, antwortete der Kollege, der emsig damit beschäftigt war, durchsichtige Folien über die Abdrücke auf der Flasche zu rollen und sie mitsamt dem Fingerabdruck, der auf der Unterseite der durchsichtigen Folie kleben bleibt, wieder abzuziehen. Die Folien wurden dann auf Tatortspurenkarten geklebt und sicherten hier jeden einzelnen Abdruck bis ans Ende aller Tage.
Steward streifte währenddessen immer weiter im Zimmer umher. Nach einiger Zeit, die er mit dem Stöbern zwischen Zeichen- und Aquarellblöcken verbracht hatte, hob er einen Zettel auf und betrachtete ihn schmunzelnd. Als er ihn umdrehte, wurde sein Gesicht schlagartig ernst. Er überflog irgendeinen Text und kam dann schnell zu uns.
Phil und ich waren unweit der Tür stehen geblieben, um den Spurensicherungsdienst nicht in seiner Arbeit zu behindern. Als Steward jetzt auf uns zukam, konnte man seinem Gesicht ansehen, dass er etwas gefunden hatte.
»Da!«, rief er. »Lest es selbst.«
Phil nahm den Zettel in die Hand. Es war ein Rechnungsformular mit einem gleichgültigen Text über einen niedrigen Betrag. Quer über das Blatt war ein Schaf und eine kläffende Promenadenmischung gezeichnet. Es sah recht hübsch aus, und wir schmunzelten beide.
»Rückseite«, sagte Stew knapp.
Wir drehten das Blatt um. Und jetzt kam uns der eigentliche Text vor die Augen.
Wurde gekidnappt. Soll irgendwo R.-Skizzen beenden. Werde in vier Tagen versuchen, aus meiner Wohnung…
Hier brach der Text ab. Nun gab uns auch noch Johnny Rätsel auf! Es war zum Verzweifeln!
»Was soll das nur heißen?«, murmelte Phil. »Werde in vier Tagen versuchen, aus meiner Wohnung - was?«
Ich zuckte die Achseln.
»Es dürfte sinnlos sein, darüber nachzugrübeln. Wenn er gekidnappt wurde, ist absolut schleierhaft, wie er in vier Tagen in seine Wohnung kommen will.«
»Moment!«, unterbrach Phil hastig. »Hier steht doch, dass er irgendwo die bestellten Skizzen vollenden soll. Wenn er nun in vier Tagen erklärt, er brauche zu dieser Arbeit noch etwas aus seiner Wohnung? Vielleicht Stifte oder Papier oder was weiß ich?«
Ich sah Phil groß an. Plötzlich war mir der Sinn des Textes klar. Phils Argumente hatten den Anstoß gegeben.
»Das hat er gestern Abend schon getan!«, sagte ich überzeugt. »Es steht ja fest, dass aus der Wohnung irgendwelche Dinge entfernt worden sind, wie Steward sagt. Nimm an, Johnny wäre gestern gekidnappt worden! Man brachte ihn zu einem Ort, wo man ihn gefangen halten wird, und eröffnete ihm dort, dass er die Skizzen zu vollenden habe. Johnny muss gesagt haben, dass ihm dazu noch Arbeitsgegenstände aus seiner Wohnung fehlten. Also wurde er unter Bewachung noch einmal zurückgebracht, um die Sachen zu holen! Und das Gleiche wird er in vier Tagen noch einmal versuchen wollen. Okay, okay, Johnny! Du bist doch ein durchtriebener Bursche. Das passt uns großartig. Es ist eine reine Routinesache, in vier Tagen die ganze Umgebung dieses Hauses so abzuriegeln, dass keine Maus herauskönnte.«
Phil rieb sich begeistert die Hände.
»Dieser Johnny sollte zum FBI kommen«, sagte er. »Er hat eine ausgezeichnete Fantasie. Sonst wäre er nicht auf alle diese Tricks gekommen. Ich möchte sogar annehmen, dass er den Gangstern den Whisky aufschwatzte, in der Hoffnung, wir würden schon auf den Gedanken kommen, nach Fingerabdrücken zu suchen.«
Ich steckte mir eine Zigarette an.
Johnny war also mit Gangstern hier, während wir in den Kneipen und bei seinem Freund nach ihm suchten. Das gab der ganzen Sache eine völlig neue Perspektive.
»Wir werden jetzt von der Annahme ausgehen, dass Johnny hier absichtlich für Spuren sorgte, die uns auf die Gangster lenken könnten«, sagte ich. »Die Vermutung, dass Johnny den Gangstern den Whisky aufschwatzte, wegen der Fingerabdrücke halte ich für gar nicht übel. Dass Johnny mehr als gewöhnlichen Scharfsinn bewiesen hat, beweist allein die Tatsache, dass er diesen Zettel zurücklassen konnte. Okay, gründliche Durchsuchung!«
Wir machten uns jetzt systematisch an die Arbeit, als hätten wir den Schauplatz eines Mordes abzusuchen. Nach ungefähr einer Viertelstunde war es abermals Steward, der uns rief.
Wir gingen zu ihm. Er hatte einen Zeichenblock in der Hand und hielt ihn schräg gegen das Licht.
»Seht euch das mal an!«, sagt er. »Euer Johnny muss wirklich ein ganz ausgekochter Bursche sein.«
»Wieso?«, fragte Phil.
»Was ist auf dem Blatt zu sehen?«, entgegnete
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