0125 - Wir stutzten ihm die Krallen
Steward.
»Absolut nichts«, sagte Phil überzeugt.
»Kollege! Hier… und hier… und da!«
Stewards Finger fuhr über das weiße Blatt. Phil strengte sich an und sagte danach achselzuckend: »Na schön, es sind Linien von der Zeichnung eingedrückt, die auf dem darüberliegenden Blatt gemacht wurde. Das Blatt wurde entfernt, und jetzt sieht man die durchgedrückten Striche.«
Steward nickte ein bisschen überlegen.
»Natürlich, ihr Kindsköpfe! Bei jedem anderen würde ich auch achselzuckend sagen: Na und? Aber vielleicht ruft ihr euch mal ins Gedächtnis zurück, dass dies hier ein Maler getan hat, nicht wahr? Ein Maler, der rein handwerklich wie kein Zweiter wissen muss, wie man eine Zeichnung behandelt, ohne gleich mehrere Blätter damit zu verderben! Ich garantiere euch, dass normalerweise kein Strich auf dem nächsten Blatt zu sehen ist, wenn ein Maler obendrauf eine Zeichnung macht!«
Ich runzelte die Stirn: »Sie meinen, Steward, Johnny könnte absichtlich stark aufgedrückt haben?«
»Das meine ich nicht nur, das ist geradezu amtlich! Er muss nicht nur absichtlich stark aufgedrückt, sondern auch außerdem einen ganz harten Stift genommen haben. Das ist keine Aquarell-, keine Zeichen-, das ist überhaupt keine Maltechnik. Also war es kein Zufall. Die Frage ist nur noch, warum tat er es? Und ich denke, das werden wir wissen, sobald wir sorgfältig und vorsichtig alle eingedrückten Linien nachgezogen haben!«
Phil schüttelte belustigt den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass hier gewissermaßen eine Geheimbotschaft für uns Zurückbleiben sollte.«
»Wir werden es ja sehen«, sagte Steward eigensinnig, suchte sich einen Bleistift und begann mit der Arbeit. Immer wieder hielt er den Block schräg gegen das Fensterlicht, um die nur eingedrückten Linien besser erkennen zu können.
Wir sahen ihm über die Schulter hinweg zu. Unsere Überraschung wuchs gewissermaßen mit jeder Linie, die Steward dadurch sichtbar machte, dass er sie mit einem weichen Bleistift nachzog.
Nach einer knappen Viertelstunde war das Bild fertig.
Es zeigte zwei Männer auf Johnnys alter Couch. Beide hielten ein Whiskyglas in der Hand.
Und beide hatten Gesichter wie Berufsgangster.
»Na?«, fragte Steward triumphierend. »Was sagt ihr nun? Wenn das nicht die beiden Galgenvögel sind, die euren Johnny gekidnappt haben, dann will ich Kaiser von China sein!«
»Verdammt, jetzt glaube ich’s auch!«, sagte Phil begeistert. »Eigentlich liegt es tatsächlich auf der Hand! Die Botschaft des Malers an die Polizei! Und woraus besteht sie bei einem Maler? Natürlich von einem Bild seiner Entführer! Großartig gemacht. Steward, wenn wir Sie nicht gehabt hätten, wären wir achtlos an dem Block vorbeigerannt.«
»Macht sieben Dollar achtzig«, grinste Steward.
Wenig später fuhren wir mit einer reichen Ausbeute zurück zum Districtgebäude. Wenn man Fingerabdrücke und sogar ein Bild von zwei Männern hat, lässt sich allerhand tun…
***
Um genau achtzehn Uhr elf fing in unserer Fernschreibzentrale ein Gerät an zu tippen, das in direkter Verbindung mit dem Hauptquartier der Stadtpolizei steht. Seit Langem ist es Brauch, dass sich City Police New York und FBI New York ständig gegenseitig von den entdeckten Kapitalverbrechen unterrichten. Aus diesem Grund gab uns die Stadtpolizei folgendes Fernschreiben durch: new york city police an fbi new york district stop soeben ermordet aufgefunden: harry george kries kunstmaler sechsundzwanzig jahre alt geboren in new york wohnhaft daselbst 1284 neunzehnte straße stop tod durch zwei stiche ins herz stop eingetreten um ein uhr mittags stop keine fingerabdrücke von den tätern oder ausreichende anderweitige spuren stop raubmord scheint nicht vorzuliegen stop motiv der tat völlig ungeklärt stop sachdienliche hinweise erbittet dritte mordkommission new york city police…
***
Wir saßen seit dem späten Nachmittag in der Registratur und wälzten die Bände des Verbrecheralbums. Vor uns lag Johnnys ausgezeichnete Durchschreibezeichnung, wie Phil sie nannte.
Wir suchten die beiden Männer auf der Zeichnung. Wenn es Gangster, und wenn sie vorbestraft waren, mussten sie im Album sein. Es ging nur um die zermürbende Arbeit des Suchens.
Währenddessen suchten andere G-men in unserer Fingerabdruckregistratur nach den Fingerabdruckkarten, die mit den in Johnnys Wohnung Vorgefundenen Abdrücken genau übereinstimmten.
Um neunzehn Uhr zwanzig klingelte in der Registratur das Telefon. Ein
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