0127 - Der grüne Spuk
Kruzifix. Als er sich in Bewegung setzte, hielt er das Kreuz mit ausgestrecktem Arm vor sich.
Sein Herz schlug schneller. Er hatte das Gefühl, es würde in seinem Hals hämmern. Sein Mund war staubtrocken. Aber er besaß genügend Mut, um nicht davonzulaufen.
Die Story deines Lebens! dachte er begeistert. Mit jedem Schritt kommst du ihr näher! Der Spuk kann dir nichts anhaben! Du bist gegen ihn gewappnet! Du hast die Möglichkeit, ihn in die Enge zu treiben, und wer weiß, vielleicht schaffst du’s sogar, ihn zu vernichten. Sie werden dich wie einen Helden feiern!
Darum ging es ihm. Zu lange steckte er schon in der Masse der Anonymen, die keiner kannte, die mittelmäßig bezahlt wurden, die niemals mit einer besonderen Leistung hervorstachen.
Damit konnte es - wenn er nur ein bißchen Glück hatte - nun vorbei sein. Alle Welt würde seinen Namen kennen.
George Blakely, der Mann, der Westchester von einem gefährlichen Spuk befreit hatte!
Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Er schob sich mit klopfendem Puls an der rauhen Wand des Geräteschuppens vorbei.
Er glitt in die düstere Nische der Tür. Seine Nerven waren wie Klaviersaiten gespannt. Er wußte, wieviel für ihn auf dem Spiel stand.
Ihm war klar, daß er jetzt noch die Möglichkeit hatte umzukehren, aber sein Ehrgeiz, sein Geltungsdrang, sein Wunsch, bekannt zu werden, ließen die Umkehr nicht zu.
Weiter! befahl er sich. Nur nicht den Mut verlieren! Es kann dir nichts geschehen! Du bist bestens ausgerüstet!
War er das wirklich? Zweifel kamen ihm. Er lehnte sich an das rissige Holz der Brettertür. Dabei spürte er den Riegel.
Vielleicht war es besser, sich eine weitere Waffe zuzulegen. Vorsichtig ist die Mutter der Weisheit, sagte sich George Blakely.
Schon schob er den Riegel zur Seite. Lautlos ließ sich die Holztür öffnen. Seine Linke tastete durch die Finsternis.
Die Fingerspitzen berührten einen kinderarmdicken Stiel. Sie schlossen sich sofort darum. Blakely nahm das Werkzeug an sich.
Es handelte sich um eine vierzinkige Heugabel. Sogleich kam ihm eine Idee, die er in die Tat umsetzte. Er drehte die Heugabel um, ohne das geringste Geräusch zu verursachen.
Dann entnahm er seiner Hosentasche die Phiole, in der er das Weihwasser aufbewahrte, das er sich beschafft hatte, als er zum erstenmal von jenem grünen Spuk erfuhr.
Nun befeuchtete der Reporter mit dem geweihten Wasser die vier Gabelzinken.
Jetzt fühlte sich George Blakely stark und unbesiegbar. Mit dem Kruzifix in der Linken und der Heugabel in der Rechten setzte er seinen Weg fort.
Er vernahm ein leises Knirschen. Daraufhin spannte er die Muskeln und wagte den entscheidenden Sprung vorwärts.
Einen Lidschlag später sah er sich dem Unheimlichen gegenüber. Der Kerl bewegte sich nicht. George Blakely zeigte ihm das Kreuz.
Der Geschuppte ließ ein gereiztes Fauchen hören. Blitzschnell wandte er den Kopf vom Kruzifix ab.
»Sieh es an!« keuchte der Reporter. »Sieh das Symbol des Guten an, Dämon! Ich befehle es dir!«
Das Monster hob die grünen Krallenhände. Es hieb damit wütend durch die Luft. Triumph flackerte in Blakelys Augen.
»Ich werde dich töten. Ich werde dich vernichten. Ich, George Blakely! Ein Niemand! Ein Unbekannter! Einer, der noch nie etwas Außergewöhnliches geleistet hat! Durch meine Hand wirst du sterben, Scheusal!«
Der Reporter holte zum tödlichen Stoß aus. Er rechnete jedoch nicht mit der Tücke des Unholds. Er stand zu weit von dem Spuk entfernt.
Er mußte zwei Schritte näher an den Unheimlichen herangehen, um den vernichtenden Stoß ausführen zu können.
Und diese zwei Schritte wurden dem Reporter, der sich seiner Sache zu sicher war, zum Verhängnis. Er stolperte über die unsichtbaren magischen Fallstricke, die der Dämon blitzschnell gespannt hatte.
Verdattert riß Blakely die Augen auf. Er verlor das Gleichgewicht. Mit beiden Armen ruderte er durch die Luft. Dennoch konnte er den Sturz nicht verhindern.
Das Kruzifix entfiel seiner Linken, und die Heugabel entglitt seiner Rechten. Jetzt war der Dämon am Zug.
Mit einem grauenerregenden Fauchen warf er sich auf den Reporter, der wie am Spieß zu schreien begann. Sein Knoblauchatem konnte den grünen Spuk nicht davon abhalten, ihm die Krallenhände um den Hals zu legen und zuzudrücken…
***
Tristan Lee stand mit seiner Frau Florence vor dem Haus. Sein kräftiger Arm lag um die schmalen Schultern der zierlichen Person, der man es nicht ansah, daß sie ihrem Mann
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