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0128 - Die Hexe aus dem Fluß

0128 - Die Hexe aus dem Fluß

Titel: 0128 - Die Hexe aus dem Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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nachdenklich.
    Hedgeson sah über den Tisch. Das Frühstück war inzwischen beendet, und der Tee konnte nicht mehr kälter werden, als er es bisher war. »Kommen Sie mit in mein Arbeitszimmer!«
    Das war wieder der schroffe Ton, den der »Spinner« Zamorra vom Lord gewohnt war. Gleichzeitig erhoben beide sich, verabschiedeten sich von der Tafelrunde mit knappem Nicken und verließen den Frühstückssaal.
    Wie zwei Brüder, dachte Nicole plötzlich unmotiviert, die den beiden Männern nachsah, wie sie nebeneinander mit fast gleichen Bewegungen hinausgingen. Dann wandte sie sich wieder zurück und sah den dritten Bruder noch am Tisch sitzen: Mik Hansen, dessen Augen wieder funkelten, um sich plötzlich sekundenlang zu trüben, wie die eines Mediums, das in Trance verfällt.
    Nur ganz kurz dauerte dieser Zustand, und Nicole glaubte an eine Täuschung. Dann erhob sich auch Mik Hansen und verabschiedete sich mit einem knappen »So long, Ladies.«
    Seltsam, dachte Nicole, wie die drei Männer sich ähneln; aber soviel sie auch grübelte, sie kam nicht dahinter, welcher Art diese Ähnlichkeit war.
    ***
    In seinem Arbeitszimmer taute Sir Francis Hedgeson auf. Mit einer knappen Geste bot er Zamorra Platz in einem bequemen Ledersessel vor einem runden Glastisch an, ließ sich ihm gegenüber in das zweite rotbraune Möbelstück fallen und rief nach James. Morris Dennessey erschien.
    »Whisky für mich, Cognac für den Professor«, orderte der Lord. Zamorra hob die Hand.
    »Bitte, Sir, keinen Alkohol am frühen Morgen für mich, aber wenn Sie eine Tasse Kaffee auftreiben könnten…«
    »Also Whisky und Kaffee«, korrigierte der Lord. »Zack, zack!« Er lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und war gerade wieder dabei, sich geistig abzusetzen, als Zamorra dieses Einschlafen, das aber dabei kein Einschlafen war, mehr spürte, als erkannte und ziemlich laut fragte: »Worüber möchten Sie sich mit mir unterhalten?«
    Zum zweitenmal an diesem Morgen schüttelte der Alte sich förmlich, als wolle er die Müdigkeit abwerfen wie einen nassen Sack. »Sorry, Monsieur, aber ich habe ein Problem, das in Ihr Fachgebiet fällt!«
    Zamorra riß beide Augen auf.
    Hedgeson, der Alte, der mit seinen fünfundachtzig Jahren immer noch die Einflüsse des Übersinnlichen strikt abgeleugnet hatte und fest auf dem Boden dessen stand, was er Realität nannte, akzeptierte Zamorras Beruf?
    Hedgeson wurde gläubig?
    Das konnte Zamorra nicht fassen. Das war so unglaublich, als würden die Niagara-Fälle versiegen oder der Mond auf die Erde stürzen. Deshalb beugte er sich im Sessel etwas vor, sah dem Großindustriellen in die Augen und verlangte: »Werden Sie bitte deutlicher, Sir Francis!«
    Diesmal protestierte Sir Francis nicht gegen diese Anrede.
    »Zamorra, ich hatte in dieser Nacht ein Erlebnis«, sagte er. »Es war ein furchtbarer Traum, den ich kaum noch richtig wiedergeben kann. Ich war eine Schlange und verschmolz mit einem unheimlichen Wesen, das aus der Hölle gekommen zu sein schien. Und als ich erwachte, war ich das, was ich jetzt bin: ein alter Mann, der jedes seiner fünfundachtzig Lebensjahre spürt. Schlagartig. Es ist, als fehle mir ein Teil meiner Seele!«
    Diese Worte waren es, die eine Reaktion in Zamorra auslösten. Die Erinnerung an die Geschehnisse in der Nacht kam wieder. Das geflügelte Schlangen-Ungeheuer, das Nicole den Alptraum geschickt hatte - Yanaa, die Hexe, und ihr Opfer im Krankenhaus von Verona - gab es da nicht Zusammenhänge, wie sie deutlicher nicht mehr sein konnten?
    Schlangen, Wasserschlangen - sie liebten die Feuchtigkeit, das Wasser, und Yanaa, die Hexe, war in die Fluten, die Tiefen des Gardasees, verbannt gewesen. Konnte sie sich als Schlange manifestieren? Unmöglich war diese Umwandlung nicht und erklärte auch, wieso die Schlange über die Fähigkeit verfügte, mit ihren Stummelflügeln sich durch die Lüfte zu schwingen, weil das Fliegen unter Hexen zum normalen Tagesbetrieb gehörte.
    Yanaa, die Hexe, Yanaa, die Schlange!
    »Mylord, war Ihr Schlafzimmerfenster in dieser Nacht geöffnet?« wollte Zamorra jetzt wissen, weil er sich auf einer heißen Spur fühlte.
    Lord Hedgeson nickte!
    »Dann hat ihnen die Hexe Yanaa diesen Alptraum geschickt und Ihnen einen Teil Ihrer Seele genommen, wie sie auch die Frau des Bootsführers aus Peschiera zu ihrem Opfer machte!« stieß Zamorra provozierend hervor.
    Er wartete auf den Zornausbruch des Lords, der ihn jetzt zum Spinner erklären und die Treppe,

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