0128 - Die Hexe aus dem Fluß
schneller handeln müssen als geplant - zu Beginn der Geburtstagsfete muß es geschehen!«
»Ich gehorche«, wimmerte die Hexe erneut und sah scheu auf den funkelnden Dhyarra-Kristall in seiner Hand, dessen Blitzen und Strahlen sie blendete.
Er ging.
Krachend flog die Tür hinter ihm zu. Mit einer raschen Bewegung ließ er den Kristall in seiner Tasche verschwinden, schaltete ihn mit einem Gedankenbefehl ab und verließ diesen Teil des Landhauses. Die Situation wurde immer gefährlicher. Wenn Zamorra nur etwas auf Draht war, hatte er die kurze, nur zwei Minuten währende Aktivität des Kristalls spüren müssen. Und dann…
Er würde sich etwas ausdenken müssen…
***
Nicole Duval holte Informationen ein. Bei April Hedgeson, bei der sie sich eingehakt hatte, während sie die Treppe hinaufgingen. April hatte ihr bereits einige Details über die am frühen Nachmittag beginnende Geburtstagsfete vorgeschwärmt, die bis in den frühen Morgen dauern sollte. Eine bekannte Musikband war engagiert worden und eine Menge Prominenz mit Einladungskarten bedacht worden, aber auch ehemalige Studienkolleginnen und -kollegen der Milliardärstochter. Es versprach, ein bunter Abend zu werden, dessen Programm kaum etwas zu wünschen übrigließ.
»Wer ist eigentlich dieser Mann mit der Boxerface, dieser Hansen?« wollte Nicole wissen, der Zamorras Interesse an dieser Gestalt nicht entgangen war. Immer noch war ihr rätselhaft, was die drei Männer so ähnlich machte, obwohl sie sich doch überhaupt nicht ähnlich sahen.
»Mik Hansen?« April lachte kurz auf und warf übermütig den Kopf in den Nacken. »Das weiß keiner so ganz genau. Er steht auf der Gehaltsliste meines Vaters, aber erst seit kurzer Zeit, seit zwei Wochen vielleicht. Dennoch sind beide sehr vertraut miteinander, und ich habe manchmal das Gefühl, daß Dad hier in diesem Mik Hansen seinen Nachfolger heranzüchtet, der ihm auch den Rest der Managerarbeit abnehmen soll.«
»Kennen die beiden sich?«
April hob nur die Schultern. »Das müßte ein Wunder sein. Sie haben sich begrüßt wie zwei Freunde, und nach ein paar Tagen war das Ei schon so dick, daß ich mich manchmal frage, wann es zu stinken beginnt…«
»Woher kommt er?«
Das konnte April nicht beantworten. Über seine Herkunft und seine Vergangenheit hatte Mik Hansen sich ausgeschwiegen, und Francis Hedgeson dachte nicht im Traum daran, darüber zu sprechen. »In diesem Punkt sind beide Geheimniskrämer, Nicole!«
Die Französin schüttelte nachdenklich den Kopf. Seltsam…
Sie hatten das Ende der Treppe erreicht. Wieder versanken sie fast in dem flauschigen Auslegeteppich und gingen Aprils Zimmerflucht entgegen. Diejunge Engländerin wollte ihrer Freundin das Kleid vorführen, das sie am Abend tragen wollte. Einladend öffnete sie die Tür und ließ der Sekretärin den Vortritt in das Zimmer, das eher schon ein Saal war. Mit einem raschen Blick sah Nicole sich um.
Alles normal; jedenfalls, soweit man das auf einen Milliardärs-Standard beziehen konnte. Mit der Einrichtung dieser Prunkvilla konnte das Château de Montagne längst nicht mithalten. So vermögend war auch ein Professor Zamorra nicht…
»Warte einen Moment, Nicole…«, bat April und verschwand im Nebenraum, der durch eine Eichentür abgetrennt war, die auf ihr Händeklatschen lautlos in der Wand verschwand, um anschließend wieder zuzugleiten. Nicole drehte sich einmal um sich selbst, ließ sich dann in einen der superflachen Plüschsessel fallen und dachte über Mik Hansen nach.
Etwas unterbrach ihren Denkprozeß; etwas, das nicht in diese Situation hineinpaßte! Ubergangslos war es da!
Nicole vernahm Schlangenzischen!
Schlagartig war die Erinnerung an die Nacht wieder da, und ruckartig flog ihr Kopf herum, um den Blick auf das geöffnete Fenster zu richten. Nur saß da kein Schlangen-Ungeheuer, das fliegen konnte und Alpträume verbreitete.
Auch keine Schlange im Zimmer, und dennoch vernahm Nicole deutlich das Zischen eines solchen Reptils! Unwillkürlich zog sie die Beine an den Leib.
Da verschwand das Zimmer um sie herum.
Da stand sie wieder inmitten der endlosen Ebene, von der sie in der Nacht geträumt hatte, war sich dabei aber vollkommen bewußt, auch diesmal wieder zu träumen.
Doch ein Schlangen-Ungeheuer?
Sie sah es vor sich, dieses riesige Monster, das sich inmitten der Ebene wie im nächtlichen Traum aus dem weißen Nebel schälte, um dann mit ihr zu verschmelzen.
Sie schrie nicht, konnte nicht schreien.
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