0129 - Der Zyklop aus der Hölle
und dahinter begann das Altstadtviertel, Schnoor genannt, wo es so enge Gassen gab, daß man nicht einmal einen Regenschirm aufspannen konnte.
Ich war auf dem Hinweg durch dieses Viertel gegangen und wäre am liebsten in jedem der kleinen, hübschen Lokale eingekehrt.
Aber mich rief der Dienst. Vielleicht ein anderes Mal.
Wir wandten uns nach rechts.
»Ich habe meinen Wagen am Bahnhof stehen«, erklärte mir der freundliche Wachtmeister.
Wir gingen durch die Hauptgeschäftsstraße, wo ich auch die Schweine in der Fußgängerzone sah. Es waren Plastiken, und zahlreiche Kinder hatten sich auf die Rücken gesetzt, was ihnen einen ungeheuren Spaß bereitete.
Wachtmeister Nese war ziemlich schweigsam. Immer wieder schaute er sich um.
»Sind Sie nervös?« fragte ich.
»Wieso?«
»Sie machen mir den Eindruck.«
»Vielleicht war es etwas viel für mich. Gestern, meine ich.«
Ich schaute zurück. Verfolger konnte ich keine entdecken. Ich sah nur noch den Brunnen am Marktplatz, wo zahlreiche Leute, wie in Rom sonst die Touristen, Geld hineinwarfen, damit diese Handlung ihnen Glück bringen sollte.
Eine Ampel hielt uns auf. Die Wagen rauschten vorbei. Hinter der Ampel sah ich eine Brücke. »Dann erzählen Sie mal, Herr Nese. Was ist denn passiert?«
Der Wachtmeister hielt nicht hinter dem Berg. Er berichtete von den Vorfällen, und ich hörte geduldig zu. Als die Brücke hinter uns lag und wir ein Kino passierten, wo sie gerade den neuesten Gruselfilm »Fog« spielten, blieb ich stehen.
»Sie haben wirklich einen Zyklopen gesehen?« hakte ich noch einmal nach.
»Ja, und er hat den Mörder getötet.«
»Werden Sie die Stelle wiederfinden?« wollte ich wissen.
»Natürlich.«
»Das ist gut.«
Am Bahnhof wurde der Trubel noch stärker. Als Fremder mußte man sich verfahren, wenn man die zahlreichen Einbahnstraßen sah.
Der Wachtmeister war mit einem VW Polo gekommen. Der Kleinwagen parkte vor einer Uhr.
Die Zeit war gerade abgelaufen, als wir einstiegen. Deshalb konnten wir der Hosteß mit dem hungrigen Blick auch zugrinsen, die ihren Block bereits gezückt hatte.
»Wohin bringen Sie mich?« fragte ich.
»Direkt zu Kommissar Mallmann.«
»Hat er irgendwo sein Hauptquartier aufgeschlagen?« grinste ich und hatte etwas Mühe, in dem engen Wagen den Gurt anzulegen.
»So kann man’s auch nennen. In einem kleinen Ort mitten im Sumpf.«
Ich war auf diese Gegend gespannt. In der Lüneburger Heide hatte ich mal ein Abenteuer erlebt und auch mal weiter hoch im Norden, aber hier im Teufelsmoor war es mein erster Fall.
Ich war gespannt.
Der Wachtmeister holte einen Zigarillo aus der Schachtel und klemmte ihn sich zwischen die Lippen. Er hatte sich bereits in den Kreisverkehr am Bahnhof eingeordnet.
Die Ampel schlug um, wir kamen zwar weiter, aber die Grünphase war zu kurz. Auf der Kreuzung blieben wir stehen.
Nese rauchte hastig. Von der Seite her schaute ich ihn an. Sein Gesicht war bleich, die Muskeln zuckten unter der dünnen Haut.
Auf der Stirn lag Schweiß.
Er bemerkte meinen Blick, lächelte verkrampft und wischte sich den Schweiß weg. Er startete. Der Wagen holperte etwas, rutschte über das Kopfsteinpflaster, und wir kamen endlich weiter.
An der Rückseite des Bahnhofs fuhren wir entlang, passierten den Stadtgarten, und dann ging es schneller. Schließlich mogelten wir uns an einer Baustelle vorbei und landeten auf dem Zubringer zur Autobahn.
Der Wachtmeister hatte seine Nervosität noch immer nicht abgelegt. Einerseits wunderte es mich, andererseits verstand ich ihn.
Wer plötzlich mit dem nackten Grauen konfrontiert wurde, drehte halt leicht durch.
Den schweren Mercedes sahen wir, als es fast zu spät war. Plötzlich war an der linken Seite ein Schatten.
Nese erschrak und riß im letzten Augenblick das Lenkrad nach rechts. Hupend jagte die Renommierkutsche an uns vorbei. Den Fahrer konnten wir hinter den getönten Scheiben nicht erkennen.
»Das war knapp!« flüsterte ich.
Nese nickte nur. Er entschuldigte sich.
»Ist ja noch mal gutgegangen. Oder soll ich fahren?«
»Nein, nein, ich passe schon auf.«
Wir hielten uns auf der rechten Seite und wurden zumeist überholt. Das war allerdings egal, denn wer langsam fährt, erreicht auch sein Ziel, und so eilig hatten wir es nicht.
Ich zündete mir eine Zigarette an, schaute nach draußen und besah mir die Landschaft.
Sie war bretteben. Ich kannte so etwas von der Insel her. Wenn man lange Strecken fuhr, wirkte sie irgendwie einschläfernd
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