0129 - Der Zyklop aus der Hölle
die zu einem kleinen Zimmer führte, das sie nie betreten durfte. Ebensowenig wie den Keller, zu dem eine alte Stiege hinunterführte. Man sah sie, wenn man eine Luke hochhob.
Oft hatte Alceste Merkens danach gefragt, doch ihr Vater hatte immer wieder abgewunken. »Irgendwann werde ich es dir mal zeigen.«
»Hat Mutter es denn gesehen?«
»Ja.«
»Und?«
»Nichts und.« Mehr sagte ihr Vater nie. Er griff dann zur Schnapsflasche und trank.
Manfred Riegel hatte Alceste nie etwas davon gesagt, ebensowenig, wie sie ihrem Vater erzählt hatte, daß sie heute Besuch bekommen würden. Sie wollte ihn überraschen und hoffte nur, daß er nicht soviel getrunken hatte.
Das Haus war klein und aus Holz gebaut. Es gab kein fließendes Wasser, kein elektrisches Licht, und auch die sanitären Anlagen ließen zu wünschen übrig.
Trotzdem wusch sich Alceste jeden Tag in dem alten Zuber.
»Hoffentlich geht alles glatt«, flüsterte sie immer wieder und faltete die Hände. »Hoffentlich.«
Sie ging in die Küche, wo sie schon das Essen vorbereitet hatte.
Die Zutaten stammten aus dem Garten hinter dem Haus. Hier wuchs das, was die Merkens’ zum Leben brauchten.
Die Arbeitsplatte lief unter dem kleinen Fenster her, das zum Garten führte.
Gedankenverloren blieb Alceste vor der Platte stehen. Sie strich sich die seidigen Haare nach hinten und schaute auf die kleinen Köstlichkeiten, die sie zubereitet hatte.
Zahlreiche Salate, Tomaten, Gurken und Radieschen. Dazu gab es Kartoffeln und Fisch.
Es war kein teures Mahl, aber alles sah sehr schmackhaft aus und war mit Liebe zubereitet worden.
In der engen Küche konnte man sich kaum drehen. Hinzu kamen noch die alten Möbel, die so mancher Trödler gern in seinen Bestand aufgenommen hätte. Einen kleinen Tisch gab es ebenso wie zwei Stühle.
Das Mädchen schaute auf die Uhr. Für vier waren sie verabredet.
Manfred mußte bald kommen. Er hatte noch zehn Minuten Zeit.
Alceste lief zurück in den kleinen Flur und stellte sich vor den Spiegel, der direkt neben der schmalen, nach oben führenden Holzstiege begann.
Sie betrachtete sich.
War sie überhaupt schön genug? Sie, das Mädchen aus dem Moor? Ihr Manfred kam aus Bremen. Dort gab es sicherlich zahlreiche Mädchen, die hübscher waren als sie. Warum sollte er ausgerechnet sie nehmen?
»Bitte«, flüsterte sie. »Bitte, laß es kein Traum sein. Ich möchte einmal nur…«
Ihre Worte verstummten, denn von draußen her hatte sie ein knatterndes Geräusch gehört. Sie kannte es schon, und ein Lächeln huschte über ihre feinen Gesichtszüge.
Manfred war da. Und er kam auf seinem Moped angefahren.
Schnell lief Alceste zur Tür. Sie öffnete, trat nach draußen und sah zu, wie Manfred Riegel vom Moped stieg, seinen Helm abnahm und ihn auf dem Sozius festschnallte.
Alceste schaute ihm zu. Sie mochte diesen jungen blonden Mann, der gar nicht mal groß war, eigentlich zu klein für einen Mann, aber ihr imponierte er. Manfred ließ sich nie unterkriegen, er wußte immer einen Ausweg, war forsch und selbstbewußt. Alles Eigenschaften, die ihr fehlten.
Als er sich umdrehte, sah er das Mädchen. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ah«, sagte er, »meine kleine Moorprinzessin. Du hast auf mich gewartet?«
»Und wie.«
Mit ausgestreckten Armen lief er auf Alceste zu und hauchte ihr einen Kuß auf den Mund. Doch Alceste wollte mehr. Sie drängte sich ungestüm an ihn, und so dauerte es einige Zeit, bis sie sich wieder voneinander lösten.
»Jetzt aber rasch ins Haus«, sagte Alceste ein wenig außer Atem.
Sie war rot im Gesicht geworden vor Aufregung.
»Weiß dein Vater eigentlich Bescheid?« fragte der junge Mann.
»Nein.«
Manfred schloß die Tür. »Oh, dann wird er aber überrascht sein. Hoffentlich nicht zu unangenehm.«
Sie waren in der schmalen Diele stehengeblieben. »Angst habe ich schon davor«, gab das Mädchen zu.
Manfred lachte. »Aber nicht, wenn ich bei dir bin.« Da war es wieder, dieses Selbstbewußtsein, das Alceste so an ihm bewunderte. Wenn sie doch auch nur so sein könnte.
»Komm«, sagte sie, »ich zeige dir was.«
»Wo?«
»In der Küche.«
»Ich dachte im Schlafzimmer.«
»Wüstling.«
»Hm, das sieht aber sehr lecker aus«, lobte Manfred das angerichtete Essen. »Fantastisch.«
»Es schmeckt auch so. Willst du mal probieren?«
»Ja.«
Das Mädchen gab ihm von dem Tomatensalat, und Manfred aß, wobei er die Augen verdrehte.
Alceste lachte. »Jetzt tu aber nicht so. Bei deiner Mutter
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