0129 - Der Zyklop aus der Hölle
Knie gegen die Kante des Armaturenbretts.
Etwas klatschte, der Wagen rumpelte, und da stieß der Polizist die Tür auf und ließ sich aus dem Fahrzeug fallen, wobei er den Sicherheitsgurt schon vorher gelöst hatte.
Der Polo aber fuhr weiter.
Er raste genau ins Moor!
***
Sie war schön, schwarzhaarig und hieß Alceste. Sie lebte mit ihrem Vater im Sumpf, weit abgeschieden zwischen zwei Dörfern. Sie wurde behütet wie ein kostbarer Schatz, damit ihr niemand zu nahetreten konnte, und wenn ihr Vater tagsüber unterwegs war und in den Dörfern die Landmaschinen der Bauern reparierte, wurde sie eingeschlossen.
Man kannte sie, aber man mied sie.
Die abergläubischen Leute vom Land wollten mit ihr nichts zu tun haben, denn ihre Mutter war im Sumpf umgekommen, und es hieß, daß der Mann nachgeholfen hatte. Deshalb kam auch die Mär auf, daß über der Familie Merkens ein Fluch hing.
Alceste, ein Name wie im alten Griechenland, den das Mädchen seiner Mutter zu verdanken hatte, denn sie schwärmte für die griechische Mythologie. Zahlreiche Bücher – ihre Hinterlassenschaft – zeugten noch heute davon.
Alceste war inzwischen 18 Jahre geworden und eine wahre Schönheit. Sie hatte das gleiche lackschwarze lange Haar wie die Mutter, das ebenmäßige Gesicht mit den hohen Wangenknochen, die dunklen Augen, den vollen Mund und die kleine Nase.
Wenn sie sich in irgendeinem Dorf blicken ließ, dann wurden die Männer verrückt.
Das wußte auch ihr Vater. Deshalb schloß er sie ein.
Sie war nur wenige Jahre zur Schule gegangen. Danach lernte sie zu Hause weiter. Ihr Vater brachte oft Bücher mit, und so hatte Alceste viel Lernmaterial.
Einmal war sie ausgebrochen. Durch ein schmales Fenster hatte sie sich geschoben, und ausgerechnet an diesem Tage war ihr Vater früher zurückgekommen.
Es hatte Hiebe gegeben, und Alceste mußte das Versprechen einlösen, nie mehr das Haus allein zu verlassen, nur in Begleitung ihres Vaters.
Alceste stimmte zu, doch in Wirklichkeit dachte sie ganz anders darüber.
Sie wollte raus.
Weg von hier. Dieses verdammte Haus, in dem es immer so feucht und muffig roch, fiel ihr auf die Nerven. Und die Weichen waren bereits gestellt.
Sie hatte einen jungen Mann kennengelernt. Einen Biologen, der den Sumpf durchstreifte und nach seltenen Pflanzen suchte, über die er eine Arbeit schreiben wollte. Er war so nett und höflich gewesen, daß Alceste ihre erste Scheu bei der Begegnung vergaß und ihm sogar bei der Suche half. Da kannte sie sich aus. Sie hatte ihn durch den Sumpf zu den versteckten Orten geführt.
Klar, daß die beiden nicht nur über die Biologie gesprochen hatten. Manfred Riegel, der junge Mann hieß so, hatte ihr bewiesen, daß es noch andere Dinge für ein junges Mädchen auf der Welt gab.
Küssen, zum Beispiel…
Es war auch nicht beim Kuß geblieben. An einer einsamen Stelle passierte es dann, und es war so schön gewesen, daß Alceste eine immer stärkere Sehnsucht verspürte, es wieder und wieder zu tun.
Manfred war ihr erster Mann. Sie hatte sich verliebt, er hatte sich verliebt.
Und er war zurückgekommen.
Heimlich hatte sie ihn ins Haus gelassen. Daraus waren Tage wilder Leidenschaft geworden, von denen Alcestes Vater nichts ahnte.
Schließlich hatte Manfred gefragt, ob sie sich nicht verloben sollten.
Alceste war erschrocken. »Aber das geht nicht.«
»Und warum nicht?« fragte der blonde junge Mann mit den hellen blauen Augen.
»Mein Vater.«
»Mit dem werde ich schon fertig.«
Diese letzten Worte gingen Alceste nicht aus dem Kopf. Einerseits liebte sie ihren Vater, andererseits bedeutete ihr auch Manfred ungeheuer viel.
Wie sollte sie sich verhalten?
Einfach verschwinden? Nein, das war nicht ihr Stil, das hätte sie dem Vater nicht antun können.
Manfred hatte dann eine Idee. »Weißt du was? Ich komme einfach vorbei, wenn dein Vater da ist, dann stellen wir ihn vor vollendete Tatsachen.«
»Nein, das kannst du nicht machen!« rief Alceste. »Er… er bringt dich um.«
Manfred Riegel lachte nur. »So einfach mache ich ihm das nicht. Wir werden sehen.« Er war von seinem Entschluß einfach nicht abzubringen.
Und heute war der Tag, wo er kommen wollte.
Noch befand sich Alceste allein im Haus, und sie hatte sich extra umgezogen. Sie trug ein blaues Kleid mit weißem Kragen. Richtig züchtig sah sie darin aus. So mußte sie einfach in einem Mann Beschützerinstinkte wecken.
Ruhelos ging sie im Haus auf und ab. Immer wieder kam sie an der Tür vorbei,
Weitere Kostenlose Bücher