0129 - Die Vampir-Lady
das dem Untoten zum Verhängnis werden würde. Langsam setzte Zamorra sich in Bewegung, schritt auf Verdier zu, das Amulett vorgestreckt.
»Bleibe fern«, kreischte Verdier abermals, wich ein paar Schritte zurück. Zamorra konnte sich vorstellen, wie die Gedanken des Untoten zu rasen begannen, nach einer Möglichkeit suchten, den Gegner zu überlisten. Denn zubeißen, seine Drohung, Nicole zu töten, wahrmachen würde er erst in dem Augenblick, in dem ihm keine andere Wahl mehr blieb.
So näherte er sich rückwärts dem offenen Schrank.
Zamorras Augen verrieten ihm nichts.
Vorhin, während des verzweifelten Kampfes zwischen Verdier und dem Vampirungeheuer, war ein Stuhl zu Bruch gegangen, ein abgesplittertes Stuhlbein in den geöffneten Schrank geflogen. Dort wartete es jetzt, das spitz abgebrochene Ende seinem nahenden Opfer entgegengestreckt.
Zamorra wußte, was gleich geschehen würde. Da Verdier von einem Vampir gebissen worden war, hatte er auch einen Teil von dessen Eigenschaften übernommen.
»Zurück«, keuchte der Untote noch einmal.
Da hatte er den Schrank erreicht, fühlte plötzlich das spitze Holz in seinem Rücken. Im gleichen Moment stieß Zamorra einen wilden Kampfschrei aus. In einer Reflexreaktion warf sich Verdier zurück…
Ein klagender Schrei entrang sich seinem weit aufklaffenden Rachen. Seine Klauenhände ließen Nicole los. Zamorra sprang vor, fing das fallende Mädchen auf. Und im gleichen Moment zuckte auch seine Hand mit dem Amulett vor, vollendete das, was der Holzpfahl begonnen hatte, der jetzt im Rücken des Untoten steckte.
Darm griff er nach, hob Nicole auf beide Arme, trug sie zu dem. Sessel Blanquets und begann damit, sie aus ihrer Bewußtlosigkeit zu wecken Das dämonische Glühen aus den Augen der beiden Männer war gewichen. Im Tod hatten sie die Erlösung vom magischen Keim der Finsternis gefunden. Sie waren wieder das, was sie einmal gewesen waren - Menschen.
Doch sie waren tot. Und nichts in diesem Universum vermochte sie wieder zum Leben zu erwecken.
Als Nicole endlich die Augen öffnete, atmete Zamorra erleichtert auf. Doch er ahnte, daß noch längst nicht alles überstanden war.
Irgendwo geschah in diesem Augenblick noch etwas Gräßliches. Doch der Ort war zu weit entfernt, als daß Zamorra es hätte verhindern können. Es war jener kleine Ort, in dem das Geschehen seinen Ausgangspunkt genommen hatte…
***
Der Ruf erklang.
Durch den schlanken Körper ging ein heftiger Ruck. Es war soweit. Der Meister rief, und sie mußte folgen.
Längst waren die sengenden Strahlen der Sonne verloschen und vermochten sie nicht mehr zu gefährden. Die Dunkelheit war gekommen, die Nacht, die ihr Element war.
Bleich stand der Mond am Himmel, hin und wieder verborgen von dahinjagenden Wolkenfetzen. In den höheren Luftschichten mußte sich ein Sturm austoben. Irgendwann in den nächsten Stunden würden auch die tieferliegenden Luftmassen in heftigere Bewegung geraten. Die Zeit bis dahin mußte sie nutzen, so gut es eben ging. Denn ein Sturm würde auch sie erfassen, vielleicht empfindlich von ihrem Flugkurs abweichen lassen.
Die Untote, die einmal die KGB-Agentin Tanja Semjonowa gewesen war, erhob sich, kroch aus ihrem Versteck hervor, in dem sie sich vor dem hellen Sonnenlicht verborgen hatte. Es war eine verlassene Erdhöhle, die vielleicht einmal eine Art Schutzbunker im zweiten Weltkrieg gewesen sein mochte. Ihr schlanker Körper straffte sich, sie reckte sich, badete sich im hellen, kalten Mondlicht.
Abermals erklang der Ruf, drängender als zuvor. Es war der Befehl.
Sie gehochte. Sie konnte gar nicht anders, vermochte sich ihm nicht zu entziehen.
Ich komme, sendete sie auf jener Frequenz, die menschlichen Sinnen unzu gänglich ist. Dann plötzlich ging eine Veränderung mit ihr vor.
Bei ihr war die Metamorphose schon erheblich weiter fortgeschritten als bei den beiden Untoten im Polizeigefängnis von Roanne. Denn im Gegensatz zu jenen hatte Tanja bereits Blut getrunken, das Blut ihrer beiden Fahrer, die sie nach Paris bringen sollten. Und was jene beiden noch nicht zu tun vermocht hatten, das gelang ihr bereits.
Von einem Moment zum anderen begannen ihre Konturen zu zerfließen, ihr schlanker Körper verformte sich. Die schwarze, bereits zerfetzte Lederkleidung zerriß endgültig, fiel von ihr ab, während ihre Gliedmaßen andere Proportionen annahmen. Unter dem hellen, blassen Mondlicht vollzog sich eine erschreckende Wandlung. Doch der Prozeß dauerte nur kurze
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