013 - Draculas Liebesbiss
ich nun mal«, meinte
Horsley. »Vertrauensselig. Ich habe mich ganz auf Ihr ehrliches Gesicht
verlassen, als ich Sie da draußen vor der Tür stehen sah. Ich hatte mein ganzes
Leben lang nichts mit der Polizei zu tun. Nicht persönlich jedenfalls«, fügte
er grinsend hinzu und zeigte seine gelblichen, ungepflegten Zähne. »Es kam
schon mal eine Nachfrage bei diesem und jenem Todesfall, eine Formalität war zu
erledigen, mehr aber nicht. Und man wußte, daß man sich auf mich verlassen
konnte. Mein Wort zählte.« Er sprach etwas verworren, doch Larry ließ ihn
gewähren. Mit jeder Geste, jedem Wort verriet Horsley mehr über sich, als er
selbst ahnte. »Tja, wenn man selbst ehrlich ist, dann traut man auch anderen
nichts Schlechtes zu. Sehen Sie, in Ihrem Fall zum Beispiel …«
»In meinem Fall?« Larry begriff
nicht, worauf Horsley hinaus wollte.
»Sie stehen unten, klingeln mich
aus dem wohlverdienten Feierabend und behaupten, Sie wollten mich in einer
dienstlichen Sache sprechen. Ich habe mir nicht mal Ihren Ausweis zeigen
lassen.«
»Das stimmt. Aber das können wir
nachholen.« Mit diesen Worten griff der Amerikaner in seine Brusttasche. Drei
Sonderausfertigungen von Lizenzen steckten griffbereit in Klarsichthüllen. Eine
Lizenz wies ihn als Sonderbeauftragten von Scotland Yard aus. Inspektor Tack
hätte einen Tobsuchtsanfall erlitten, wäre ihm dieser Ausweis unter die Augen
gekommen, denn die Lizenz war – echt!
Horsley winkte ab. »Nicht nötig.
Man sieht Ihnen gleich an, daß Sie nicht gekommen sind, mich zu erpressen.«
»Hätte das denn Sinn?«
Horsley griff nach seinem Glas.
Er nahm einen ordentlichen Schluck, gurgelte und genoß dann den puren Stoff.
»Vielleicht, Mister Brent,
vielleicht.«
»Kommen wir zur Sache«, schnitt
X-RAY-3 ihm das Wort ab. »Ein Beamter ist auch ein Mensch. Ich habe heute abend
noch eine Verabredung.«
»Ist sie hübsch?«
»Deswegen eilt’s mir ja so …«
»Also die Sache mit dem Mord –
ich nehme an, es handelt sich um einen Irrtum. Als Sie hier eintrudelten, habe
ich nicht geleugnet, daß jemand mich während der letzten Tage besucht hätte.«
»Das konnten Sie auch schlecht
ableugnen. Wir haben Beweise, daß Sie jemand aufgenommen haben.«
»Der Bursche ist unschuldig.
Letzte Nacht – gegen elf war es – begehrte er Einlaß. Ich kenne den Jungen. Ich
bin mit seiner Familie befreundet. Er hat mir den Vorfall im Harrigan’s genau
geschildert. Aber er hat mit der Sache selbst nichts zu tun. Er war zufällig im
Zimmer des Mädchens, er sah sogar den Mörder und wußte, daß der Verdacht auf
ihn fallen würde – typische Kurzschlußhandlung. Vielleicht hätten Sie in seiner
Lage nicht anders gehandelt.«
»Wenn er unschuldig ist, braucht
er Scotland Yard nicht zu fürchten.«
Horsley winkte ab, während er
sein Glas leerte und aus der halbvollen Flasche sofort nachfüllte. »Das sagen
Sie in Ihrem jugendlichen Leichtsinn. Justizirrtümer sind gar nicht so selten,
wie man uns einfachen Sterblichen weismachen will.«
Larry Brent konnte dies nicht von
der Hand weisen.
Horsley nickte. »Ich sehe, mit
Ihnen kann man reden. – Sie wissen, daß er hier ist.«
»Sein Name?«
»Tut nichts zur Sache. Jetzt noch
nicht. Sie können mich der Beihilfe zum Mord anklagen, wenn ich mich irren
sollte. – Sehen Sie sich den Jungen selbst an, Inspektor, sprechen Sie mit
ihm.«
»Er ist noch hier im Haus? Ich
dachte …?«
Horsley grinste. »Ihr
Nachrichtendienst funktioniert wohl doch nicht ganz so gut. Sie dachten, er sei
mit dem Taxi vorhin abgeholt worden?« Etwas Lauerndes in der Stimme seines
Gegenübers ließ Larry wieder hellhörig werden. Es war, als könnte Horsley Gedanken
lesen. Genau das war ihm durch den Kopf gegangen. Das Taxi von vorhin.
»Er wollte
verschwinden, heute abend. Er bestellte den Fahrer wieder. Und das war
vielleicht sein Fehler. Ich habe den Chauffeur weggeschickt. Er – der Junge –
liegt oben in der Dachkammer. Er schläft. Ich habe etwas nachgeholfen. Eine
Tablette, so etwas hat man immer im Haus.«
X-RAY-3 erhob sich. »Kann ich ihn
sehen?«
»Den Vorschlag habe ich Ihnen
gerade gemacht. Sie versprechen mir, ihn ehrlich zu behandeln, ihn anzuhören?«
»Ich werde mir ein Urteil bilden.
Wenn ich aber den geringsten Zweifel habe, muß ich ihn festnehmen. Sie müssen
verstehen, daß ich keinen Mörder schützen kann.«
»Ja, das ist klar.« Horsley nahm
sein Glas mit und ging zur Tür. Larry folgte ihm. Für seine Begriffe
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