0131 - Königin der Wölfe
mir besser.
Ich hatte sie alle geschafft. Einer lag noch vor den Füßen der Wölfin.
Hoheitsvoll – in diesen Augenblicken erinnerte sie mich wirklich an eine Königin – stieg sie über den Werwolf hinweg. Sie hatte keinen Blick mehr für die Kreatur.
Nur einer zählte: der Sieger.
Und das war ich.
Aber mir ging es in diesen Augenblicken verdammt miserabel. Es bereitete mir große Mühe, überhaupt auf den Beinen zu bleiben.
Hin und wieder schwankte ich, da drehte sich alles vor mir. Der Wald, der Boden, die Feuerstelle…
Bis ich ihre Stimme hörte. »Du hast es geschafft, John Sinclair. Du hast tatsächlich das erreicht, was niemand vor dir geschafft hat. Du bist ein wahrer Meister.«
Ich hörte ihre Worte, und sie machten mich glücklich. Doch Kraft gaben sie mir keine. Ich riß weit meine Schnauze auf. Jetzt hätte ich gern etwas getrunken, statt dessen torkelte ich über die Wiese und spürte die Schmerzen auf meinem Gesicht, wo mich der Biß meines Gegners getroffen hatte.
Dann blieb ich einfach sitzen und starrte in das Feuer, dessen Flammen verdammt klein geworden waren.
Lupina ging hin, nahm Holz und warf es in das fast verlöschende Feuer.
Die kleinen Zungen leckten hin und her, fanden die neue Nahrung und griffen sofort danach.
Schon bald glühten die nächsten Äste und wurde es auch wieder heller, auf der Lichtung. Ich konnte die Wölfin sehen. Ihr blondes Haar wurde vom Widerschein des Feuers getroffen und mit einem rötlichen Schein überzogen. Ihr Gesicht lag etwas im Schatten, was dem Reiz dieser Fraubestie aber keinen Abbruch tat.
Mir gefiel sie.
»Werde ich dein König?« fragte ich.
»Ja.«
»Und wann?«
»Habe ich dir nicht gesagt, daß die unheilige Trauung um Mitternacht stattfindet?«
»Ja, das hast du.«
»Dann warte so lange.« Die Antwort klang ziemlich schroff, und ich fragte mich, ob sie diese Heirat überhaupt gewollt hatte oder nur bei einem brutalen Spiel zusehen wollte?
Doch ihr Lächeln machte mir wieder Hoffnung. »Ich habe es nicht so gemeint, Liebster. Entschuldige.«
Ich fühlte mich geschmeichelt. Liebster, hatte sie gesagt. Wie sich das anhörte.
Mir ging es plötzlich wieder besser. Ich war davon überzeugt, doch den richtigen Entschluß gefaßt zu haben.
Ich schaute zum Himmel hoch.
Dort leuchtete der fahle Vollmond. Er kam mir vor wie ein alles sehendes Auge. Ja, dieser Mond würde mit seinem silbernen Licht uns beiden die Kraft geben, die wir brauchten.
Die anderen Widersacher waren verschwunden. Sie hatten sich zurück in den Wald verzogen und würden wohl kaum mehr wiederkommen, denn ihre Angst war zu groß.
Goro war verbrannt, und der dritte Gegner?
Er lag am Rand der Lichtung, war schwerverletzt, wollte sich immer erheben, doch sobald er die Arme aufgestützt und durchgedrückt hatte, fiel er wieder zusammen.
Er bedeutete keine Gefahr.
Lupina war am Rand des Feuers stehengeblieben. Sie schaute mich an.
»Warum kommst du nicht her?« fragte ich sie.
Sie schüttelte den Kopf und meinte: »Hast du schon einmal getötet, John Sinclair?«
Ich nickte heftig.
»Wen?«
»Goro.«
»Ihn meine ich nicht. Menschen – hast du schon einmal Menschen getötet?«
»Nein.«
»Aber du würdest es tun?«
»Wenn es für dich ist…«
»Auch deine Freunde?«
»Ich habe keine Freunde.«
»Die von früher.«
»Ja, ich würde sie töten. Sie gehören nicht mehr zu mir. Es sind jetzt meine Feinde. Wann soll ich sie töten?«
»Vielleicht schon früher, als du denkst, John Sinclair.«
»Wie meinst du das?«
»Ich spüre die Gefahr. Wir sind nicht mehr allein. Irgend etwas bewegt sich auf uns zu. Ich wittere es.«
»Was ist es?«
Ihre Augen leuchteten plötzlich hellgelb. »Menschen. Es sind Menschen, John!«
Ich vergaß meine Schmerzen. Menschen, hatte sie gesagt. Menschen, das bedeutete Feinde und Opfer.
Sollte ich das Glück haben, noch in dieser Nacht mein erstes Opfer reißen zu können?
Ich stand auf. »Wo sind sie?«
»Keine Ahnung.« Lupina trat vom Feuer weg und ging zum Rand der Lichtung, wo es dunkler war.
Auch ich setzte mich in Bewegung. Längst nicht so geschmeidig wie zuvor. Mein Gang war schleppender geworden, der lange Kampf hatte mich Kraft gekostet.
Neben Lupina blieb ich stehen.
Ich fühlte ihre Nähe, ich roch sie. Und ich mochte dieses Geschöpf mit dem Gesicht einer schönen Frau und dem Körper einer Bestie. An manchen Stellen schimmerte ihr Fell ebenso golden wie das lange Haar. Sie war eine Schönheit. Da ich so
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