0132 - Die Macht der Unheimlichen
frag- te Eskens verblüfft.
Er blickte Daumier nach, der die Funkzentrale der MADRID ver- ließ, um den Kommandanten aufzusuchen. „Na, dann nicht.” Ge- langweilt sah Eskens seine Instrumententafel an. Jede Zahl, jede Farbe, jeder Zeiger schien ihm etwas zu sagen. Gleichgültig über- flog er sie. Diese Gleichgültigkeit war Täuschung. Selbst als Kadett hatte ihm kein Ausbilder nachweisen können, einmal nicht aufge- paßt zu haben. Böse Zungen behaupteten, er würde sogar im Halbschlaf auf seine Umgebung achten oder seine Arbeit tun.
Etwas daran war richtig, der größte Teil war Übertreibung oder auch Neid. Leutnant Eskens befand sich in der glücklichen Lage, sich vollständig und ausschließlich auf eine Aufgabe konzentrieren zu können. Dadurch konnte er seine Aufgaben mit einem Minimum an Kräften bewältigen.
„Hoppla!” Nicht einmal hastig beugte er sich über den Oszillogra- phen. „Hm!” Schön sieht das nicht aus.” Er drückte einen Knopf.
Vier Decks tiefer saßen einige Ingenieure vor einer langgestreck- ten Schaltwand und beobachteten konzentriert. Mit diesen Män- nern hatte Eskens sich in Verbindung gesetzt. „Hier Eskens. Beob- achte Oszillographen in Sektor Eins. Scheint mir eine Energie-Am- plitude zu sein. Was halten Sie davon?” Energie-Amplituden hatte man bisher während der Beobachtung von Frago noch nicht entdeckt. Energie-Amplituden konnten beim Start von vielen Raumschiffen auftreten, aber ebensogut durch feuernde Strahlwaffen größerer Kapazität hervorgerufen werden.
Die Ingenieure vier Decks tiefer hielten sich zurück. Eine Ener- gie-Amplitude konnte auch durch eine ungesteuerte Kettenreaktion ausgelöst werden.
„Wir sollten Voralarm geben!” meinte einer der Ingenieure.
„Warum die Jungens aus den Betten werfen”, widersprach Es- kens, der leidenschaftlich gern lange schlief. „Sehen wir uns die Amplitude gemeinsam an. Von startenden Schiffen rührt sie nicht her. Dafür ist sie zu breit...” Laute Proteste von selten der Ingenieure kamen in die Funkzen- trale der MADRID. „Was Sie nicht sagen, Leutnant! Woher wollen Sie das denn wissen?” Eskens war von friedfertiger Natur. Er ließ die Ingenieure reden.
Er war sich seiner Sache sicher. Irgendwo um Frago herum war mit Auftauchen der Amplitude auf dem Oszillographen in Sektor Eins seiner Schalttafel ein Raumschiff zur glühenden Gaswolke geworden. „Hoffentlich ein Posbi...” Er hatte laut gedacht.
„Zügeln Sie Ihre Phantasie, Leutnant Eskens”, rief einer der Inge- nieure.
Eskens gab gelassen zurück: „Man wird doch wohl noch laut denken dürfen. Auf Wiedersehen, meine Herren. Wenn Sie Vor- alarm geben wollen, bitte schön. Ich habe keine Lust, mich lächer- lich zu machen!” Er griff nach links und schaltete die Verbindung ab.
Jemand betrat die Funkzentrale. Er erkannte Daumier am Schritt. „Der Alte hat sich die Meldung kaum angesehen”, sagte der Leut- nant unzufrieden. „Als ob man mit einem Blick darüber entscheiden könnte.” „Warum hast du sie nicht an die Positronik verfüttert?” fragte Es- kens, ohne seinen Blick von der Amplitude auf dem Oszillographen zu wenden.
„Gibt es bei dir etwas Neues?” stellte Daumier eine Gegenfrage und nahm mit Schwung im Gliedersessel Platz.
„Nichts...” In der MADRID heulte der Voralarm. Auf den übrigen fünfzehn Kreuzern ebenfalls. Daumier sprang auf und rannte zum Schrank, in dem sich die Raumanzüge befanden.
„Warum rennst du, Daumier? Bleib’ sitzen. Der Alarm wird gleich wieder zurückgenommen. Wir haben ein paar Zivilisten an Bord, die sich gern wichtig machen wollen.” Daumier glaubte Eskens aufs Wort. Er beließ den Raumanzug im Schrank und nahm wieder Platz.
Von drei Kreuzern liefen Telekomsprüche ein, zerhackt, gerafft und verschlüsselt. Das große Rechengehirn der Funkzentrale be- gann zu arbeiten. In der Kommandozentrale der MADRID wurde vor dem Sitz des Kommandanten ein Bildschirm stabil. Der Klartext der eingelaufenen Funksprüche erschien darauf. Drei Kreuzerkom- mandanten fragten erbost, was dieser Voralarm zu bedeuten hätte.
Seit wann würden normale Energie-Amplituden für anfliegende Fragmentraumer gehalten?
Captain George Lassalle las mit grimmigem Gesicht auch die dritte Anfrage. Im Wortlaut ließ sie an Bissigkeit nichts zu wün- schen übrig. Captain Lassalle fühlte sich angesprochen. Seine Stimmung befand sich unter dem Nullpunkt. Er stellte den Interkom zu Deck IV durch.
Eskens in der Funkzentrale
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