0134 - Das Grauen kam aus Grönland
meinem Appartement vergrub. Sie holten mich zu sich rüber. Suko hatte sich inzwischen umgezogen. Er lehnte im Sessel und schonte seinen rechten Arm.
Shao wußte bereits, was vorgefallen war.
Sie versuchte meine Selbstvorwürfe zu zerstreuen, aber es gelang ihr nicht.
Ich blieb zwei Stunden bei meinen Freunden.
Dann zog ich mich in meine Wohnung zurück.
Tags darauf erfuhr ich telefonisch von einem Kollegen, was ich wissen wollte. Er rief mich zu Hause an. Ich war gerade mit dem Frühstück fertig. Als das Telefon anschlug, grapschte ich mir den Hörer.
»Sinclair.«
»Guten Morgen, John. Wir wissen jetzt, wer der Junge war, den Sie…«
Es war für mich, als würde jemand das Messer in der Wunde umdrehen. »Ja? Und?« sagte ich. Meine Stimme klang mir fremd.
»Sein Name war Elias Cox. Er war 19 Jahre. Medizinstudent. Hervorragende Zensuren. Ein Musterschüler.«
Auch das noch, dachte ich.
»Er hätte eine große Zukunft gehabt«, fuhr mein Kollege fort.
»Hatte keine Eltern mehr. Wohnte zur Untermiete. Wir haben uns in seiner Wohnung bereits gründlich umgesehen. Nichts, was für Sie von Interesse sein könnte. Seine Freunde mochten ihn. Er war hilfsbereit, verdiente sich sein Taschengeld mit Nachhilfestunden. Keinerlei Verbindung zu magischen Zirkeln. Er hatte auch garantiert noch nie an einer schwarzen Messe teilgenommen, und was ein Dämon ist, wußte er höchstens vom Kino.«
Ich machte mir Notizen, schrieb mir auch die Adresse auf und bedankte mich für den Anruf.
Daß ich ein so wertvolles Mitglied der menschlichen Gesellschaft getötet hatte, traf mich nur noch tiefer unter der Gürtellinie.
***
Es war Freitag.
Clayton Pool kam kurz nach 14 Uhr nach Hause. Von Montag bis Donnerstag arbeitete er länger. Nur Freitags war Frühschluß, und Pool brauchte sich nichts zu essen in die Firma mitzunehmen, sondern er sparte sich seinen Hunger auf und fiel über das zumeist recht köstliche Mahl seiner Frau zu Hause her.
Clayton und Charlotte Pool waren seit zwei Jahren verheiratet.
Die Nachbarn mochten sie. Sie hatten zu allen ein gutes, zu manchen sogar ein freundschaftliches Verhältnis.
Pool schellte.
Das Haus, das er mit seiner Frau bewohnte, war einstöckig. Es gehörte ihnen nicht. Sie bezahlten Miete, waren aber für sich allein.
Charlotte Pool öffnete. Sie trug noch ihre blaue Schürze, auf die eine rot karierte Känguruhtasche aufgenäht war. Das blonde Haar hatte sie hochgesteckt. Kleine Bergkristallohrringe baumelten an ihren zarten Ohrläppchen.
»Hallo, Darling«, sagte sie. »Du mußt dich noch einen Augenblick gedulden. Ich bin gleich soweit.«
»Ich habe einen Mordshunger.«
»Es dauert bestimmt nicht mehr lange. Nimm dir inzwischen einen Drink.«
»Bei meinem leeren Magen wäre ich sofort blau«, sagte Clayton Pool grinsend. Er küßte seine Frau im Vorbeigehen. Sie schloß die Tür und verschwand wieder in der Küche.
Er hörte sie hantieren.
»Was gibt’s denn Gutes?« fragte er laut.
»Ein Rezept aus good old Germany: Sauerbraten mit Rosinen.«
»Es riecht schon köstlich.«
»Das Fleisch ist noch nicht gar.«
Pool mixte sich einen leichten Drink. Wenig Whisky. Viel Soda.
Er setzte sich und schlug die Beine übereinander. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen.
Er liebte Charlotte, war gern mit ihr verheiratet. Sie bemühte sich, ihm die Ehe so angenehm wie möglich zu machen. Und so abwechslungsreich wie möglich. Pool war jetzt 24. Mit 22 hatte er geheiratet, und bevor er Charlotte kennengelernt hatte, hatte er keine Gelegenheit ausgelassen. Er hatte alles mitgenommen, was er kriegen konnte, und nun wußte er, daß er keine bessere Frau als Charlotte finden konnte. Deshalb kam er auch nicht auf den Gedanken, ihr untreu zu sein.
Sein Freund Merryl fiel ihm ein.
Der hatte seine Frau schon in den Flitterwochen betrogen. Für den wäre es wohl besser gewesen, er hätte nicht geheiratet. Aber da er, Clayton Pool, in den Hafen der Ehe eingelaufen war, hatte das auch Merryl angestrebt, ohne zu wissen, daß er für eine dauernde Verbindung noch nicht reif war.
Es läutete.
»Machst du mal auf, Darling?« rief Charlotte aus der Küche.
»Erwartest du jemand? He, du hast doch hoffentlich niemand zum Essen eingeladen.«
»Ich hätte dich bestimmt vorher gefragt, ob es dir recht ist«, gab Charlotte Pool zurück.
Clayton Pool stellte sein Glas weg und erhob sich. Er begab sich zur Tür und öffnete. Niemand stand draußen. Nur ein kleines Päckchen lag auf dem
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