0134 - Das Grauen kam aus Grönland
sagte er.
»Warum wirfst du es nicht endlich in die Mülltonne?« fragte Charlotte verzweifelt. »Worauf wartest du? Bis du dazu nicht mehr in der Lage bist?«
»Wegwerfen kann ich es später immer noch. Warum sollte ich dazu nicht in der Lage sein?«
»Vielleicht hat es die Absicht, uns umzubringen.«
Pool wandte sich um und verließ ärgerlich das Zimmer. Die Hysterie seiner Frau ging ihm auf die Nerven. Wieso konnte sie nicht verstehen, daß ihn das Eigenleben dieses harten Materials interessierte? Warum war sie nicht so erpicht wie er darauf, zu erfahren, wie sich das grüne Monster weiterentwickelte?
Er hatte keine Angst vor diesem Wesen.
Er fühlte sich zu ihm sogar auf eine eigenartige Weise hingezogen.
Obwohl Charlotte ihn bedrängte, verließen sie an diesem Tag nicht das Haus. Es war am Morgen nebelig gewesen. Später schien zwar die Sonne, aber Pool hatte nicht den Wunsch verspürt, sein Haus zu verlassen, und da fast immer das geschah, was er sagte, blieben sie zu Hause.
Der Nachmittag war für Charlotte langweilig.
Sie besserte die Wäsche aus, während Clayton Pool auf der Couch lag und in die Röhre guckte.
Nachdem er zahlreiche Sportsendungen konsumiert hatte, wollte er eine Kleinigkeit essen. Danach setzte er sich wieder vor die Flimmerkiste.
Der Film, der im Abendprogramm lief, gefiel ihm nicht. Da sich Charlotte von Anfang an nicht dafür interessiert hatte, schalteten sie das Gerät ab und gingen zu Bett.
Unwillkürlich streifte Charlotte die Figur mit einem kurzen Blick, als sie den Raum verließ, und wieder fiel ihr auf, daß das starre Scheusal um einige Zoll größer geworden war.
Sie schluckte eine diesbezügliche Bemerkung hinunter und löschte das Licht. Ganz leicht strahlten die Monsteraugen in der Dunkelheit…
»Montag«, brummte Clayton Pool, während er – auf dem Bett sitzend – seine Socken auszog und neben die Pantoffel fallen ließ.
»Eine neue Woche. Immer derselbe Trott. Manchmal kotzt es mich an.«
»Jeder muß arbeiten«, sagte Charlotte.
»Du nicht.«
»Hausarbeit ist auch eine Arbeit.«
»Die würde ich in einem halben Tag mit der linken Hand erledigen.«
»Na schön, dann suche ich mir gleich morgen früh einen Job, und du bleibst zu Hause.«
Pool grinste. »Okay. Aber es muß ein Job sein, der ebensoviel einbringt wie der meine.«
»So einen werde ich kaum finden.«
»Dann hat es keinen Zweck, daß wir die Rollen tauschen.«
»Ich finde es nicht fair von dir, daß du die Hausarbeit immer heruntermachst, Clayton.«
»Ist schon gut. Wir wollen jetzt schlafen. Ich habe morgen einen anstrengenden Tag.« Pool küßte seine Frau so flüchtig und desinteressiert, daß sie sich darüber ärgerte. Aber sie sagte nichts, löschte das Licht, drehte sich auf die Seite und versuchte zu schlafen.
Doch sie lag nur mit geschlossenen Augen da.
Eine Stunde verging.
Noch eine.
Und Charlotte hatte immer noch keinen Schlaf gefunden. In wachem Zustand quälten sie Alpträume. Sie sah fürchterliche Höllenwesen, die ins Schlafzimmer kamen.
Durch die geschlossene Tür!
Wesen, deren Abscheulichkeit jeden Menschen zutiefst erschrecken mußte. Sie krochen geduckt heran. Lauernd. Mordlüstern. Ihre klauenartigen Finger berührten das Bett, legten sich auf die Decke, wollten sie von Charlotte fortziehen. Sie klammerte sich daran fest, wollte schreien, doch ihre Stimme versagte. Graue Scheusale stiegen auf das Bett.
Charlotte Pool war in Schweiß gebadet.
Ihr Herz schien hoch oben im Hals zu schlagen. Die wahnsinnige Angst schien sie umzubringen.
Clayton bekam von alldem nichts mit. Er schlief mit tiefen, regelmäßigen Atemzügen.
Plötzlich ein Geräusch im Haus.
Auf der Treppe.
Hart und polternd!
Eiswasser floß mit einemmal durch Charlottes Adern. Sie riß die Augen verstört auf. Die Trugbilder waren schlagartig verschwunden, hatten sich sekundenschnell aufgelöst. Niemand war mehr im Schlafzimmer. Dafür aber war jemand auf der Treppe!
Es polterte wieder.
Das mußten Schritte sein.
Jemand kam die Treppe hoch!
Charlotte Pool bekam die Gänsehaut. Sie verkroch sich unter der Decke, aber auch dort vernahm sie die harten Schritte. Stufe um Stufe kamen sie höher. Wer konnte das sein? Ein Einbrecher? Oder diese abstoßende Figur? War sie zum Leben erwacht?
Hatte sie denn jemals nicht gelebt?
Charlotte zitterte. Ihr war heiß und kalt zugleich. Sie hielt es nicht mehr unter der Decke aus, glaubte, darunter erstricken zu müssen, denn sie pumpte immer wieder
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