0134 - Das Grauen kam aus Grönland
ihren sauerstoffarmen Atem in ihre Lungen. Furchtsam schlug sie die Decke zurück.
Die Schritte verrieten ihr, daß derjenige, der sich dort draußen befand, bereits die halbe Treppe zurückgelegt hatte. Und er stieg weiter die Stufen hoch.
»Es ist nicht auszuhalten!« flüsterte Charlotte verzweifelt. »Ich halte diese Angst nicht mehr aus!«
Sie legte ihre Hand auf die Schulter ihres schlafenden Mannes.
»Clayton«, raunte sie. »Clayton, ich bitte dich, wach auf.«
Er gab schmatzende Geräusche von sich, knurrte, wälzte sich herum.
»Clayton!«
»Was ist denn?« fragte er ärgerlich. Noch benommen vom Schlaf.
»Warum weckst du mich?«
»Es… es ist jemand im Haus, Clayton. Auf der Treppe. Er kommt zu uns hoch.«
»Quatsch!«
»So hör doch. Die Schritte…«
Clayton Pool wischte sich mit der Hand über die Augen. Er gähnte und setzte sich auf. Auch Charlotte erhob sich. Sie zog die Beine an, legte das Kinn auf die Knie, umschlang die Beine mit den Armen und starrte zur Schlafzimmertür.
»Mein Gott, Clayton, was sollen wir bloß tun?«
Nun vernahm er die harten Schritte ebenfalls. Aggressiv schlenderte er die Decke von sich.
»Was hast du vor?« fragt Charlotte leise.
»Ich werfe den Kerl die Treppe hinunter und prügle ihn aus dem Haus.«
»Tu das nicht, Clayton. Bleib hier.«
»Hör mal, es kann doch nicht jeder x-beliebige in unser Haus kommen.«
»Wenn wir uns hier drinnen verbarrikadieren, kann uns nichts geschehen. Clayton, man liest so viel von schrecklichen Verbrechen. Harmlose Einbrecher, die niemandem etwas zuleide tun wollten, wurden zu Mördern, weil der Hausherr sie gestellt hatte.«
Die Schritte hatten das obere Ende der Treppe erreicht.
»Geh nicht!« flehte Charlotte. »Bleib bei mir. Ich habe solche Angst.«
Clayton Pool verließ das Bett.
Die Schritte näherten sich der Schlafzimmertür. Charlotte biß sich in die Hand, um ihre Angst nicht laut hinauszuschreien. Sie beobachtete ihren Mann. Der schlüpfte hastig in seinen Schlafrock, band den Gürtel und eilte unerschrocken zur Tür.
In diesen Sekunden machte Charlotte Pool Furchtbares mit.
Doch es sollte noch schlimmer kommen!
Clayton Pool riß die Tür wild auf. Im nächsten Moment prallte er mit einem heiseren Aufschrei zurück, denn vor ihm stand das grüne Monster. Groß wie ein achtjähriges Kind.
Und es lebte!
***
»Neeiiin!« kreischte Charlotte, als sie das Scheusal erblickte. Sie wühlte die Finger in ihr Haar und war so verstört, daß sie glaubte, den Verstand verloren zu haben.
Clayton Pool stand dem Monster fassungslos gegenüber.
Er wußte nicht, was er tun sollte.
Wie gelähmt war er.
Die Bestie starrte ihn mit ihren gelbglühenden, rotgeränderten Augen an. Pool raffte seinen ganzen Mut zusammen. Er fragte nicht danach, wie es möglich war, daß die Bestie plötzlich lebte. Dazu war keine Zeit. Er begriff, daß sein Leben in Gefahr war. Seines und das von Charlotte. Er mußte sich verteidigen.
Nervös spannte er die Muskeln.
Er wollte das kleine Scheusal packen, hochnehmen, mit ihm die Treppe hinunterrennen und es aus dem Haus werfen.
Aber es blieb beim Wollen.
Denn in dem Augenblick, wo Clayton Pool sich auf das grüne Monster stürzen wollte, sprang dieses ihn an.
Charlotte raufte sich die Haare.
»Clayton!« schrie sie. Ihre Stimme überschlug sich.
Mit gesenktem Kopf katapultierte sich die Bestie vorwärts. Das massive Horn wies auf Pools Bauch. Charlottes Herzschlag setzte aus. Die Katastrophe war nicht mehr zu verhindern.
Schon hatte das unheimliche Wesen Kontakt mit Pools Körper.
Etwas Unvorstellbares passierte. Nicht nur das Horn drang in den Leib des Mannes, sondern auch der Kopf des Ungeheuers, die Schultern, der Rumpf.
Das Höllenwesen tauchte ganz in Pools Körper ein und kam nicht mehr zum Vorschein. Es war verschwunden!
Clayton Pool brüllte auf. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Er preßte beide Hände auf seinen Bauch und drehte sich langsam um.
Charlotte war diesem Schrecken kaum noch gewachsen.
Die Bestie war in ihrem Mann verschwunden, hatte sich in ihm aufgelöst. Waren sie es nun los? Charlotte bezweifelte das. Sie befürchtete, daß der Horror weitergehen könnte.
Und sie hatte mit ihrer Befürchtung recht.
Clayton Pool torkelte röchelnd auf sie zu. Sein Gesicht war so sehr verzerrt, daß Charlotte ihren Mann nicht mehr wiedererkannte. Und die Züge veränderten sich weiter.
Totenblaß wurde der Mann. Er hechelte. Die Zunge hing ihm aus dem Mund. Ein
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