0134 - Der Goldene aus der Geisterstadt
Ihre Sinne griffen aus, tasteten nach dem Amulett, das in ihrer Spähre zurückgeblieben war. Und es reagierte sofort, glitt durch das Nichts heran in den magischen Tunnel zwischen den Welten.
Nicole riß die Silberscheibe hoch. Plötzlich umgab sie ein grelles, grünliches Leuchten, das sich zu einem Ellipsoid ausweitete und auch Ansu Tanaar einhüllte. Gerade noch rechtzeitig, denn in der nächsten Sekunde raste eine Flammenwolke aus dem geöffneten Rachen des schuppigen Drachenmonsters, brach sich an dem grünen Leuchten. Nicole spürte ein schmerzhaftes Prickeln auf ihrem Körper. Sie begriff, daß dies Auswirkungen der fremden, bösartigen Energie waren, die das Amulett nicht vollständig zu absorbieren vermochte. Es konnte nicht zwei kraftzehrende Aufgaben zugleich erledigen.
Doch dann - war es vorbei!
Der magische Tunnel brach in sich zusammen.
Von einem Moment zum anderen war Nicole allein. Ynnchaahr, die grauenhafte Dämonenbestie, war verschwunden, und mit ihr Ansu Tanaar. Wohin? Du wirst mich suchen müssen, hatte Ansu Tanaar gesagt. Doch wo?
Nicole sah sich um.
Sie stand auf einer weißgrauen Straße, die sich in schwindelnder Höhe über eine Menge Häuser von einem Turmbau zum anderen schwang. Ringsum erstreckte sich eine gigantische, unabsehbare Stadt…
Nicole erschauerte. Sie stand ziemlich am Rand der Straße. Kein Geländer säumte sie ein. Direkt hinter dem Randstreifen ging es in die Tiefe, in den gähnenden Abgrund, vielleicht hundert, hundertfünfzig Meter tief.
Ein seltsames Dröhnen schreckte sie auf. Sie sah nach beiden Seiten. Fahle Blässe überzog ihr Gesicht.
Man näherte sich ihr. Von beiden Seiten jagten sie heran, drachenartige Wesen, hinter denen Nicole kleine Wagen erkannte. Sie rasten mit einer unglaublich hohen Geschwindigkeit auf sie zu.
Doch das war nicht das Gefährlichste dabei.
Denn beide Fahrzeuge würden sich genau dort begegenen, wo Nicole sich jetzt befand! Und jedes Fahrzeug mit dem vorgespannten Miniaturdrachen nahm die Hälfte der Fahrbahn ein… Für Nicole würde kein Platz mehr bleiben…
Eine Hand um das Amulett gekrallt, um es nicht zu verlieren, begann sie zu laufen, auf eines der Fahrzeuge zu. Doch im gleichen Moment erkannte sie das Aussichtlose ihres Unterfangens. Denn so schnell sie auch war, die beiden Drachenwagen waren schneller.
Es gab kein Entkommen…
***
Ynnachaahr stieß einen gräßlichen Fauchlaut aus. Das unmenschliche Gehirn des Dämons begann auf Hochtouren zu arbeiten. Irgendetwas stimmte hier nicht. Es war ihm gelungen, einen Teil der Unterhaltung beider Frauen zu belauschen.
Zamorra lebte?
Das war unmölgich! Er war tot, gestorben an seinen Unfall Verletzungen! Der Dämon knurrte und spie Feuer. Es konnte, es durfte nicht sein!
Es war ihm auch nicht gelungen, die beiden Frauen in seine Gewalt zu bringen. Die eine war durch den Dimensionstunnel geflohen und hatte die Weiße Stadt erreicht. Auf welche Weise sich die Goldhäutige seinem Zugriff entzogen hatte, vermochte er nicht zu sagen. Eine unfaßbare Kraft hatte gewirkt, unfaßbar selbst für die eigenartigen Sinne des Dämons. Er war sogar bereit zu glauben, daß die Goldhäutige, die niemand anders als die sagenhafte Ansu Tanaar gewesen sein mußte, gar nicht wirklich im Tunnel gewesen war, daß sie eine Projektion entsandt hatte.
Aber wenn es sich um Ansu Tanaar gehandelt hatte, dann…
Der Dämon stockte.
Wenn, dann waren nach fast tausend Jahren plötzlich wieder Dinge in Bewegung geraten, die er in dieser Art nicht gutheißen konnte. Dinge, die den stabilen Zustand in jener Welt der Weißen Stadt verändern würden, auf eine Weise, die seinem Willen zuwieder war.
Er mußte nach dem Rechten sehen. Zu lange hatte er nur ein halbes Auge auf die Stadt geworfen, die Lemurer darin gewähren lassen. In der Zwischenzeit mußte sich einiges zusammengebraut haben, das Gefahr barg. Gefahr, die tödlich sein mochte…
Er mußte handeln! Und das sofort, so rasch wie möglich, ehe noch mehr geschehen konnte…
Ynnchaahr drang in die Weiße Stadt ein.
***
Nicole schrie. Sie wußte, daß sie verloren war. Das Trommeln und Dröhnen der Drachenklauen und der Räder wummerte in ihren Ohren. Sie waren heran, waren da… jetzt…
Doch noch etwas schrie. Ein furchtbares Geräusch, das sie auf der Stelle erstarren ließ, das ihr durch Mark und Bein ging. Aus entsetzt aufgerissenen Augen sah sie, wie der Wagen vor ihr ins Schleudern geriet. In letzter Sekunde hatte der Wagenlenker
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