0134 - In den Klauen der Mafia
und zwei Kinder haben’s gesehen. Die Kinder standen direkt bei dem Jungen, der Switchman war vielleicht sechs Schritte von ihnen entfernt. Er fegte gerade die Weichen der Straßenbahn.«
»Haben Sie mit den Kindern gesprochen?«
»Ich nicht. Mein Kollege aus der Bronx. Der bearbeitet ja den Fall.«
»Und was sagen sie?«
»Es war schwierig, etwas aus ihnen herauszuholen, das können Sie sich denken. Sie standen völlig unter dem Eindruck dieses fürchterlichen Verbrechehs. Sie hatten sich mit Tonio, der Junge heißt nach seinem Vater, hier an der Ecke getroffen und überlegten, was sie spielen könnten. Plötzlich trat ein Mann auf sie zu und fragte, wer der Junge von Castrello sei. Tonio meldete sich arglos. Da zog der Mann eine Pistole aus der Manteltasche und gab schnell hintereinander drei Schüsse ab.«
Wir schwiegen einen Augenblick. Dann murmelte Phil fassungslos: »Auf ein Kind!«
Es waren die drei Worte, die auch uns die Haare zu Berge stehen ließen. Erst nach einer ganzen Weile setzten wir das Gespräch fort.
»Wie sah der Mann aus?«
»Grauer Mantel, grauer Hut, schwarze Schuhe. Etwas größer als ich. Breit und stark. Trug graue Lederhandschuhe. Der Mantelkragen war hochgestellt. Der Switchman behauptete, dass der Mann ein Heftpflaster links unten am Kinn getragen hätte. Vielleicht hätte er sich beim Rasieren geschnitten.«
»Würde der Switchman ihn wiedererkennen, wenn er ihn noch einmal sieht?«
»Er behauptet, ja.«
»Was tat der Mann, nachdem er geschossen hatte?«
»Er lief den Bruckner Boulevard nach Osten entlang. Der Switchman jagte ihm nach. Aber er ist ein alter Mann und konnte wohl den Vorsprung des Mörders nicht aufholen. Jedenfalls verlor er die Fährte, als der Verbrecher in einem Hinterhof verschwunden war. Ich habe mir die Ecke angesehen. Dahinter liegen die Gleise der Harlem River Station. Der Kerl brauchte nur über eine Mauer zu springen. Dann befand er sich auf den Eisenbahngleisen. Dort hatte er hundert Möglichkeiten, sich erst einmal zu verstecken. Leer stehende Güterzüge, kleine Streckenbaubuden, Materialschuppen, Unterführungen, Bahnsteige mit Imbissbuden - wie gesagt: hundert Möglichkeiten, sich zu verstecken.«
»Wissen die Eltern des Jungen schon Bescheid?«
»Natürlich.«
»Haben Sie gesehen, wie die Eltern es aufnahmen?«
»No, ich war nicht dabei, als man es ihnen sagte. Ich legte auch keinen Wert darauf. War froh, dass nicht ich es ihnen sagen musste.«
Er biss die Spitze seiner Zigarre ab und qualmte schwere Wolken vor sich hin. Nach einer Weile zahlten wir und gingen zurück zu dem Parkplatz, wo unser Jaguar stand. Auch Rochester hatte, wie sich herausstellte, seinen Dienstwagen dort stehen.
Der Junge war inzwischen abtransportiert worden, die Absperrung aufgelöst, und die Menge hatte sich verlaufen, da es nichts mehr zu sehen gab. Nur ein paar Grüppchen von Unentwegten standen noch herum und diskutierten das furchtbare Ereignis.
Wir wollten uns schon voneinander verabschieden, da fiel mir noch etwas ein.
»Moment, Rochester«, sagte ich.
Während Phil und der Detective-Lieutenant mich erstaunt beobachteten, stieg ich in den Jaguar und nahm den Hörer des Sprechfunkgerätes in die Hand. Ich wartete, bis sich unsere Funkleitstelle gemeldet hatte, und bat dann um eine Verbindung mit Mr. High.
Es dauerte keine zehn Sekunden, da hatte ich ihn in der Leitung.
»Hallo, Jerry! Was gibt’s?«
Ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Als ich fertig war, herrschte ein paar Herzschläge lang Schweigen. Dann ertönte die Stimme von Mr. High, und jetzt war sie gar nicht sanft, wie sonst 'meistens, sondern entschlossen und voll von einem metallischen Timbre.
»Ich möchte, dass Sie und Phil sich um diesen Fall kümmern«, sagte der Chef. »Gleichgültig, ob die Mafia oder wer sonst auch immer die Hand im Spiel hat. Bringen Sie uns den Mörder dieses Kindes, Jerry! Und bringen Sie ihn so schnell wie möglich. Alle Unterstützung, die Sie brauchen sollten, ist hiermit bewilligt. Good Luck, Jerry!«
Ich legte langsam den Hörer zurück. Phil streifte mich mit einem kurzen Blick. Ich brauchte nur zu nicken, da wusste er Bescheid.
»Wie war doch der Name des Switchmans?«, fragte ich.
»Stanislaus Crochinsky«, erwiderte Rochester. »Ein vor dem Krieg eingewanderter Pole. Warum wollen Sie es wissen?«
Ich startete bereits den Wagen.
»Ich möchte mir den Burschen noch einmal beschreiben lassen. Und wenn wir Himmel und Hölle in Bewegung setzen
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