0135 - Der Moloch
warf.
Schon jetzt formierte sich in ihrem Innern Widerstand.
Charity klopfte ihr auf die Schulter und zog eine kleine Tür unter dem Schminktisch auf. Sie holte eine Flasche hervor. »Trink, Baby«, sagte sie. »Ohne das Zeug ist unser beschissenes Leben hier kaum noch zu ertragen. Wir stehen alle unter Stoff, die eine mehr, die andere weniger. Einige haben auch Koks genommen.«
Jane schüttelte den Kopf. Sie drückte Charitys Arm beiseite. »Ich will nicht, danke.«
»Das hältst du aber sonst nicht durch.«
»Mal sehen.«
»Dann nehme ich einen.« Charity setzte die Flasche an und trank in langen durstigen Zügen. Der billige Whisky mußte wie der letzte Fusel schmecken, Charity trank ihn trotzdem.
Jane schaute auf die Tür. Nein, da kam sie nicht weg. Es sei denn, sie begab sich freiwillig in die Hand des Molochs. Vor dem Gedanken schauderte sie.
Aber es mußte doch einen Ausweg geben. Danach erkundigte sie sich bei Charity.
Die setzte hastig die Flasche ab. »Es gibt einen, Girlie«, sagte sie.
»Du brauchst nur durch die Tür zu gehen.«
»Aber da ist doch…«
»Unsinn. Wenn wir herausgelassen werden, ist die Luke natürlich zu. Und die Wand gegenüber der Tür läßt sich bewegen. Ein ganz einfacher Mechanismus.«
»Daran hatte ich nicht gedacht.«
»Hier ist eben vieles anders.«
»Ich merke es mit Schrecken.«
»Den Schrecken wirst du wohl heute abend erleben. Da ist diese Mistbar geschlossen. Nur bestimmte Personen dürfen hinein. Das hat mir Ireus erzählt.«
»Gehört ihm die Bar?«
»Nee.«
»Wer ist denn der Besitzer?«
Charity hob die Schultern. »Ein schmieriger Typ, dessen Namen ich nicht einmal weiß.« Plötzlich grinste sie. »Er riecht irgendwie immer so nach Beerdigung und Leichen, weißt du.«
Jane schluckte. Sollte der Inhaber des Schuppens vielleicht ein Ghoul sein?
Sie fragte danach.
Charity sah sie aus großen Augen an. »Was ist das denn – ein Ghoul? Kann man das essen?«
»So ungefähr«, wich Jane aus.
Charity kicherte und nahm noch einen Schluck. Dann stellte sie die Flasche wieder weg. Die Frau konnte eine ungeheure Menge vertragen. Jane wunderte sich.
»Alles im Eimer«, sagte Charity. »Wir sind nichts wert, Mädchen. Wir werden geopfert…«
»Ach, halts Maul«, sagte die mit der Whiskystimme. Jane wußte auch, wie sie hieß.
Paula.
Charity wies mit dem Finger auf Paula. »Du hast ja keine Ahnung. Überhaupt nicht.«
Paula wollte etwas antworten, doch ein Geräusch lenkte die Frauen ab.
Es war ein Kratzen und Schaben.
»An der Tür«, flüsterte Charity. »Das ist er. Er kann es kaum erwarten, uns zu bekommen…«
Den Girls lief bei diesen Worten eine Gänsehaut über den Rücken…
***
Logan Costello!
Wir hatten eine Akte über ihn. Und die war gar nicht mal so dünn. Ich blätterte sie durch, bevor wir zu ihm fuhren.
Dabei gingen mir die Augen über.
Costello war ein Verbrecher. Er gehörte zu der Spitze der Londoner Unterwelt. Costello herrschte über zahlreiche Bars und Nachtclubs, hielt einen Teil des Porno- und Sexgeschäftes in der Hand. Außerdem war er auch noch Eigentümer eines Beerdigungsinstitutes in Soho.
Normalerweise passen Beerdigungsinstitute und Nachtclubs nicht zusammen, doch bei Costello sah die Lage völlig anders aus.
Wenn er wirklich zur Mafia gehörte und da mit an erster Stelle stand, hatte er auch die Aufgabe, Leichen verschwinden zu lassen.
Es war schon immer eine Spezialität der »Ehrenwerten Gesellschaft« gewesen, doppelte Beerdigungen durchzuführen. Das heißt, man legte bei einer Bestattung kurzerhand zwei Leichen in den Sarg.
Die Mafia hatte dieses Verfahren ausgeklügelt. Ich wollte nicht wissen, wie viele Gräber in London doppelt besetzt waren.
Seine Bestattungsfirma lag in Soho, also in der Szene, wie man so schön sagt. Und diesem feinen Geschäft wollten Bill und ich einen Besuch abstatten.
Die Straße lag nicht weit vom Leicester Square entfernt, ich kannte sie. Dort gab es weniger Bars und Clubs, sondern mehr Geschäfte.
Wir mußten uns beeilen, wenn wir vor Ladenschluß dort sein wollten. Es blieb auch keine Zeit mehr, Suko abzuholen. Ich hinterließ ihm nur eine Nachricht in meinem Büro.
Dann dampften wir ab.
Es wurde eine Quälerei. Am Trafalgar Square blieben wir stecken, dann hatten wir einen Bus vor uns, der jagte seine Abgase in die Luft, und der Bentley nahm sie mit seiner Belüftung auf.
Schließlich kamen wir besser voran, und genau fünf Minuten vor Toresschluß erreichten wir
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