0135 - Der Moloch
die Straße, in der das Institut lag.
Wir konnten es gar nicht verfehlen, denn das große Schaufenster war dunkel getönt. Ein schwerer Eichensarg stand als Dekoration in der Auslage. Er wurde von zwei kitschigen Leuchtern eingerahmt und von einem Spotlight angestrahlt.
Das Licht ging aus, als wir den Wagen verließen. Einen Parkplatz hatten wir gefunden, wenn der Bentley auch schräg stand, aber das hier war eine Polizeiaktion.
»Ich frage mich nur, was solch ein Mafioso mit den Dämonen zu tun hat«, meinte Bill.
»Weiß ich auch nicht.«
Eine Treppe führte zur Eingangstür hoch. Ich drückte sie auf und hörte über meinem Kopf ein trauriges Glockenspiel. Wir betraten einen großen Raum, in dem ein Schreibtisch stand, über dem eine Hängelampe leuchtete. Die Wände waren grau gestrichen. Es roch so wie in der Leichenhalle. Ich sah auch vier Besucherstühle, sorgfältig nebeneinander aufgestellt. Ein durch einen blauen Vorhang abgedeckter Durchgang führte zu den anderen Räumen des Instituts.
Noch kam niemand.
Dann bewegte sich der Vorhang, und ein mittelgroßer Mann mit Halbglatze erschien. Der Knabe trug einen dunklen Anzug, hatte ein weißes Hemd an und sich eine schwarze Krawatte umgebunden. Dazu trug er das leidende Gesicht eines liebeskranken Hamsters zur Schau. Er kam auf uns zu und rieb die Hände gegeneinander.
»Ich darf Ihnen mein tiefstes Mitgefühl zum Tod Ihres nahen Verwandten aussprechen«, sagte er scheinheilig und schaute einmal Bill an und dann mich.
»Noch ist niemand gestorben«, sagte ich.
Sein falsches, mitleidiges Gesicht verschwand. Dafür trat ein lauernder Ausdruck auf seine Züge. »Ich verstehe Sie nicht…«
Ich zeigte meinen Ausweis.
»Scotland Yard?«
»Genau.«
»Aber was…«
Ich ließ ihn nicht ausreden. »Sind Sie Logan Costello?«
»Nein.«
Die erste Überraschung. »Wieso? Ich dachte, daß Logan Costello die Firma hier gehört…«
»Das schon, aber ich bin sein Bruder und kümmere mich um die Geschäfte.«
»Dürfte ich Ihren Namen erfahren?«
»Ja. Ennio Costello.« Der Mann sprach noch mit einem italienischen Zungenschlag. Wahrscheinlich war er noch nicht so lange in London.
»Führen Sie den Laden hier selbständig?«
»Natürlich.«
»Dann untersteht ihnen auch der Wagenpark?«
»Was heißt Wagenpark. Wir haben zwei Fahrzeuge. Mehr nicht. Wir sind sehr bescheiden.«
Ich las ihm die Autonummer vor. »Ist das Ihr Wagen?«
»Keine Ahnung. Ich kann Autonummern nicht behalten.« Er hob die Schultern. »Da müßten Sie schon meinen Mitarbeiter fragen.«
»Und wo finden wir den?«
Costello deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »In den Arbeitsräumen.«
»Okay, gehen wir hin.«
Er wand sich. »Ich weiß nicht so recht. Mr. Ireus befindet sich bei seiner Arbeit und…«
»Das lassen Sie mal unsere Sorge sein.«
»Bitte, ich wollte Sie nur warnen.«
Er lief schnell an uns vorbei und öffnete den Vorhang, damit wir hindurchgehen konnten. Waren wir zuvor auf einem Teppichboden gelaufen, so schritten wir jetzt über rote Fliesen.
Costello machte Licht. Zwei runde Leuchtstoffröhren flammten auf. Links sah ich einen Gang, der wohl zum Hof führte. Gegenüber befanden sich zwei Türen. Eine führte zum Lager, das las ich an der Aufschrift.
Bill schaute mich an. Seinem Blick entnahm ich, daß er dem Frieden nicht so ganz traute. Und auch ich war skeptisch, wollte aber noch nicht urteilen.
Costello öffnete eine der beiden Türen. »Bitte sehr«, sagte er, und seine Stimme klang ein wenig belegt.
Wir schritten in den Raum.
Wieder wechselte der Bodenbelag. Gelbe Fliesen befanden sich unter unseren Sohlen. Sie paßten auch zu dem Inhalt des makabren Raums. Erst einmal sah ich zwei Leichen. Sie lagen auf langen Holztischen, waren völlig nackt und warteten wohl darauf, gewaschen zu werden. Es stank nach Desinfektionsmitteln, und an der Wand befanden sich zwei Wannen. An einer arbeitete ein Mann, der uns den Rücken zuwandte.
»Ireus!« rief Costello.
Langsam drehte sich der Mann um. Dabei ließ er eine Leiche los, mit der er beschäftigt war. Sie klatschte zurück ins Wasser.
»Ja!« fragte er, und seine Stimme kratzte.
Ich schaute mir den Kerl genau an. Er war größer als ich, sogar um einen Kopf. Er hatte ein hageres Gesicht, tief in den Höhlen liegende Augen und einen kantigen Schädel. Sein Gesicht war irgendwie schief gewachsen, die Nase verknorpelt, die Lippen kaum zu sehen. Er trug einen langen weißen Kittel, der Wasserflecken
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