0138 - Der Höllensohn
die Folklore und das Brauchtum der Gegend. Er besuchte die Armen und Kranken, leistete Hilfe und sprach ihnen Trost zu.
Es hieß, er habe die Baraka, die magische, heilende Kraft, und könne durch das Auflegen der Hände heilen.
Roger Marais saß hinten neben Nicole Duval in dem Geländewagen. Der Tabib hatte ihm bescheinigt, daß er sich überraschend schnell erholt hatte, und ihn nur zu gern entlassen. Roger sollte sich nur vor körperlicher Überanstrengung hüten und sich in der nächsten Zeit nicht zu lange in der heißen Sonne aufhalten.
In seiner Freude, ihn loszuwerden, hatte der Tabib ihm sogar noch ein paar Stärkungspräparate umsonst mitgegeben.
Zamorra saß am Steuer, Bill Fleming neben ihm. Von seinen Verbrennungen hatte Bill Fleming nur ein paar rote Flecken zurückbehalten. Er fühlte sich wieder soweit fit, wie das unter diesen Umständen möglich war.
»Ich frage mich, wie sich ein halbwegs normaler Mensch in so einer backofenheißen Einöde verkriechen kann, Zamorra«, sagte Bill Fleming. »Dieser Ibn Osman muß nicht alle Tassen im Schrank haben.«
»Er soll ein heiliger Mann sein«, sagte Zamorra.
»Wenn das Heiligkeit ist, sich in so einer völlig leblosen Steinwüste niederzulassen, dann danke ich. Hier möchte ich nicht mal begraben sein.«
Zuerst fuhr Zamorra an dem Pfad vorbei, der zu der Höhle des Einsiedlers abzweigte. Da die Piste zu schmal zum Wenden war, gelangte er im Rückwärtsgang wieder zurück. Zwei Kilometer konnten die vier Reisenden noch fahren, die restlichen fünf mußten sie zu Fuß gehen, denn Felsen versperrten den Weg.
Mit Proviant und Wasser versehen marschierten die vier los. Roger Marais hatte nicht beim Wagen zurückbleiben wollen. Die vier trugen helle Tropenkleidung und Kopfbedeckungen. Roger Marais hatte Kleidungsstücke Bill Flemings angezogen, die ihm etwas zu weit waren.
Er sah aber wesentlich besser aus und hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem halbtoten Mann, den Zamorra, Bill Fleming und Nicole Duval zwei Tage zuvor auf der Straße vor der Roten Stadt aufgelesen hatten.
Omar ben Tawils doppelläufige Reiterpistole und sein Kumiat hingen an Roger Marais’ Gürtel. Auch Zamorra, Bill und Nicole waren bewaffnet, denn in dieser wilden Gegend konnte man nie wissen.
Es gab Räuber, die einen Fremden schon wegen seiner Schuhe oder seiner Armbanduhr umbrachten. Zamorra hatte seinen Einsatzkoffer mit Weihwasser, geweihten Kreuzen, Gnostischen Gemmen, Silberkugeln, Vampirpflöcken, einem von ihm selbst verfaßten Handbuch über Bann- und Beschwörungsformeln sowie die Dämonenbekämpfung und noch anderem Inventar bei sich.
Bill Fleming trug die zwei Dämonenstatuetten und die Keilschrifttafeln von dem Ausgrabungsfeld bei Beni Abbes im Campingrucksack.
Bill schnaufte und schwitzte am meisten.
»Wenn ich wieder mal Dämonen bekämpfe, dann nur in der Antarktis«, versprach er.
Nach einer Stunde anstrengendem Marsch in der Gluthitze sahen die vier endlich die Höhle des Einsiedlers vor sich. Zamorra beobachtete Roger Marais, hätte er gewußt, wie strapaziös der Weg sein würde, dann hätte er den jungen Mann nicht mitgenommen.
Aber Roger hielt sich gut und klagte nicht. Seine Gedanken waren bei Hadda.
Die Höhle des Einsiedlers war die größte von vieren an einem steilen Felshang. Vor der Höhle war ein gemauerter Ofen errichtet. In einer Bodenmulde lagen große Wüstenheuschrecken zum Trocknen.
Nicole Duval schüttelte sich, als sie sie sah.
»Igitt, wie kann man nur so etwas essen!«
Der Marabut war nicht anwesend. Zamorra und Bill schauten sich seine Höhle an. Ibn Osman lebte mehr als karg. Er besaß nur ein paar Decken für die kalten Winternächte, die jetzt in einer Nische zusammengerollt waren, außerdem, was er am Leib trug, einen abgetragenen alten Kaftan, ein zweites Paar Sandalen, ein altes Vorderlader-Gewehr mit Zubehör, ein paar Tonkrüge, Holzgeschirr und zwei Säcke mit Datteln.
Geld hatte er überhaupt keines, an persönlichen Gegenständen äußerst wenig. Er besaß nicht einmal ein Feuerzeug, zum Feueranzünden benutzte er Steine oder rieb Hölzer.
Eine Quelle entsprang in der Nähe der Höhle hinter einem Felsen und bildete eine kleine Wasserstelle.
Zamorra, Nicole, Bill Fleming und der junge Franzose Roger Marais ließen sich in der kühlen, schattigen Höhle nieder, aßen und tranken von ihrem Proviant und warteten auf den Einsiedler. Es wurde fast Abend, bis Ibn Osman endlich kam.
Zamorra, der sich draußen umgesehen
Weitere Kostenlose Bücher