0138 - Der Höllensohn
wand sich in seiner Hand, die Tür öffnete sich knarrend.
Hadda stand an der Seite und konnte nichts erkennen. Aber Ali ben Raid brüllte vor Entsetzen und wurde leichenblaß. Er trat ein, dumpf schlug die Tür hinter ihm zu. Hadda hörte nichts mehr. Völlige Stille herrschte, und endlos langsam verstrich die Zeit.
Dann gellte hinter der Tür ein Schrei, gräßlicher als alles, was Hadda bent Fatima bisher gehört und gesehen hatte. Sie wollte flüchten, aber sie stand wie gebannt.
Minuten verstrichen, bis die Tür wieder aufschwang und Ali ben Raid heraustrat. Aber wie sah er aus! Seine Faust umklammerte den Säbel immer noch. Seine Schritte waren schleppend, er bewegte sich wie ein lebender Leichnam.
Sein Gesicht war grau, sein Burnus wie mit grauem Staub überpudert. Ohne Hadda anzusehen, ging er an ihr vorbei und stieg langsam die Treppe hinunter. Dabei stöhnte er immer wieder dumpf.
Hadda glaubte nichts anderes, als daß sie jetzt durch diese Tür gehen und in den Thronsaal des Höllensohnes treten müsse. Aber in ihrem Gehirn erklang eine Stimme.
»Du hast noch Zeit, kleine Hadda. Dieses Opfer sättigt mich eine Weile. Geh hinaus, spiele, lache, genieße dein Leben, solange du es noch hast!«
Ein kurzes, höhnisches Lachen folgte. Hadda aber lief eilig hinter Ali ben Raid her, der die Vorhalle schon halb durchquert hatte. Hadda holte ihn am Ausgang ein und packte ihn am Arm. Sie fuhr zurück, denn Ali ben Raids Fleisch war so hart wie Stein und so kalt wie Eis geworden.
Der Targi konnte nicht mehr sprechen, nur dumpfe Laute drangen noch aus einer Kehle. Seine grauen Augäpfel rollten nach oben.
Doch wie ein Schlafwandler tappte er weiter bis zur schwarzen Steintreppe.
Auf der dritten Stufe blieb er stehen, völlig reglos. Sein Fleisch und seine Kleidung und auch der Säbel waren völlig grau geworden. Ein Seufzer drang aus seiner Brust. Der Chor der Verdammten, das Wimmern, Heulen und Klagen setzte wieder ein.
Hadda bent Fatima stieß Ali ben Raid zaghaft an. Steif kippte er um, wie eine Steinfigur, und rollte die Stufen hinunter. Sein rechter Arm mit dem Säbel brach dabei am Schultergelenk ab. Aus der Wunde sickerte nur wenig rötliche Flüssigkeit.
Ali ben Raid gab keinen Laut mehr von sich. Er war inwendig bereits fast völlig versteinert. Hadda bent Fatima aber floh schreiend bis in den letzten Winkel des Parks, wo sie sich verkroch wie ein gehetztes Tier.
Es half ihr nichts. Obwohl sie nichts zu essen und nichts zu trinken hatte, würde sie in der magischen Sphäre ohne irgendwelche Mangelerscheinungen am Leben bleiben, bis Dschafar al Kharum sie rief.
Auf Hadda wartete das gleiche gräßliche Schicksal wie auf Ali ben Raid.
***
Die Piste von In Salah nach El Golea führte quer durchs Plateau du Tademait, eine lebensfeindliche Steinwüste. Der Samum trug alles leichtere Material von den grauen und dunklen Steinen weg, von denen die kleinsten nicht größer als Stecknadelköpfe waren. Die meisten hatten etwa die Größe von Erbsen.
Nackte, vulkanische Hänge und Felsformationen ragten auf dem drei bis vierhundert Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Plateau auf. Die Araber bezeichneten es als eine Wüste in der Wüste, denn hier gedieh überhaupt keine Vegetation.
Nur giftige Skorpione, Asseln und Käfer lebten zwischen den Steinen. Die Piste war nicht gekennzeichnet und so miserabel, daß Zamorra ein paarmal fürchtete, der Ford Bronco würde mit zwei oder drei defekten Reifen, gebrochener Achse oder leckgeschlagener Ölwanne liegenbleiben.
Doch es gab nur eine Panne. Ein Kabel am Zündverteiler war in der ungeheuren Hitze, die die Steine abstrahlten, geschmolzen. Bill Fleming entdeckte den Fehler, der rasch beseitigt werden konnte.
Man hatte den Reisenden den Weg zur Felsenhöhle des Marabuts Ibn Osman genau beschrieben. Auf dieser Strecke herrschte kaum Verkehr. Zamorra und seine Begleiter begegneten am ganzen Vormittag nur einem Lastwagen und einem Landrover mit zwei englischen Kameraleuten, die für ein Magazin eine Abenteuertour durchführten.
Ibn Osman, der Marabut, kam nur alle vier bis sechs Wochen nach In Salah, um Vorräte und Materialien abzuholen. Der Habous, das Ministerium, das für Glaubensdinge und religiöse Einrichtungen zuständig war, bezahlte das wenige, das Ibn Osman brauchte, denn er galt als ein heiliger Mann.
In In Salah besuchte er die Vorlesungen in der Medersa, der Koranschule, war ein eifriger Beter in der Moschee und interessierte sich sehr für
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