0138 - Der Höllensohn
der Hölle verfiel.
Eine ungeheure Sehnsucht erfüllte das Herz des Beduinenmädchens. Hadda vergaß selbst ihren geliebten Roger. Sie rannte mit gefesselten Händen auf das weiße Marmorschloß, die blühenden Gärten und schattigen Haine und die überirdisch schönen und glücklichen Menschen zu, die sie lockten.
Eine herrliche Musik drang in ihre Ohren, süßer Duft umschmeichelte sie. Ihre Füße lösten sich vom Boden, sie holte den Kamelreiter Ali ben Raid ein, der in der Luft auf einer magischen Sphäre festhing.
Gemeinsam erreichten sie den Paradiesgarten und das Schloß.
Hadda sah ihre Sehnsucht erfüllt, die ewige Glückseligkeit erreicht.
Doch dann veränderte sich alles von einem Augenblick zum andern. Ein eisiges Grauen erfaßte Haddas Herz, als sie die schreckliche Wahrheit erkannte. Sie blieb stehen. Ali ben Raid, der Targi, zügelte sein Kamel und hielt entsetzt an.
»Allah akbar!« rief er. »Allah ist groß! Allah und der Prophet sollen mich vor den Mächten des Sheitans beschützen!«
»Hier gilt nicht der Wille Allahs, hier herrschen die Kräfte der Hölle und der Dämon Dschafar al Kharum!« grollte eine donnernde Stimme. »Ja, seht euch nur gut um, meine Opfer, an deren Lebenskräften ich mich laben will. Bald erwarte ich euch im Thronsaal meines Schlosses Foggora, in dem die Seelen meiner Opfer in Ewigkeit ruhelos geistern.«
Ein dämonisches Gelächter ertönte. Hadda bent Fatima wandte sich zur Flucht. Aber es gab kein Entrinnen. Sie sah die Wüste, Roger Marais und die Tuareg nicht mehr. Brodelnde Schwärze umgab das Schreckensschloß Foggora, das in andere Dimensionen hinüberwechselte.
Hadda konnte nicht zurück, eine unsichtbare, unüberwindbare magische Grenze sperrte den Bereich des Dämons. Das Beduinenmädchen hämmerte mit den Fäusten gegen die unsichtbare Wand und schrie um Hilfe.
Die herrliche Musik war zu kreischenden Mißtönen geworden, die die Nerven marterten. Ein beizender, unirdischer Gestank herrschte im Reich des Dämons. Seine Kraft zwang Hadda, sich umzudrehen und dem Grauen wieder ins Auge zu sehen.
Ali ben Raids Kamel war spurlos verschwunden, sein Skelett lag in der Wüste. Der Targi mit dem dunkelblauen Burnus und dem blauen Litham stand schlotternd da, seinen Säbel in der Faust. Was er und Hadda sahen, war auch zu schrecklich.
Das herrliche Schloß war zu einem monströsen Bauwerk mit häßlichen, bizarren Konturen und Formen geworden. Dunkle Türme ragten einem schwarzen Himmel entgegen. Ein Zwielicht mit grünlichem Schimmer erhellte die Schreckensszene.
Heulen wie von Schakalen, dämonische Hohnlaute und das Wimmern und Klagen Verdammter lösten die schaurige Musik ab, die allmählich verstummte. Die Bäume und Sträucher in den Parks und Hainen trugen kein Laub und keine Früchte mehr.
Sie waren verzerrte schwarze Gebilde, wie sie niemals auf der Erde wuchsen. Die Bäche, Quellen und Teiche waren ausgetrocknet, oder vielmehr das Trugbild, das herrliches klares Wasser vorgetäuscht hatte, war verschwunden.
Ein giftiger fahler Nebel waberte über den schwarzen Löchern und Rinnen. Die Wandelhalle des Schlosses und seine Fenster erhellte ein giftgrünes Licht.
Im Gelände um das Dämonenschloß und in diesem selbst aber standen Hunderte und Aberhunderte von Statuen aus einem porösen grauen Material. Sie stellten Männer, Frauen und Kinder in Lebensgröße und in allen möglichen Haltungen dar. Eine unsagbare Verzweiflung und Qual sprach aus diesen Statuen, die einmal lebende Menschen gewesen waren.
Opfer des Dämons Dschafar al Kharum, denen er im Lauf von Jahrhunderten das Leben ausgesogen hatte. Da waren Männer in altertümlichen Rüstungen, mit kurzen Schwertern und Schilden. Neger mit Lendenschürzen, der Rasse nach jetzt nur noch an ihren wulstigen Lippen und dem krausen Haar erkennbar.
Frauen in knappen Gewändern oder völlig vermummt, so daß nur die Augen frei blieben. Mütter mit Kindern auf dem Arm und halbwüchsige Knaben und Mädchen. Semiten mit Kaftanen und Käppchen und Araber in Burnus oder Ghandoura. Europäer in ihrer Kleidung.
Manche Gestalten hielten Waffen, die wie sie versteinert waren, andere ein Trinkglas, einen Spiegel oder irgendeinen Gegenstand.
Einige Gestalten waren nackt, die weitaus überwiegende Zahl aber bekleidet.
Es waren die versteinerten Abbilder von Menschen beiderlei Geschlechts und jeden Alters, verschiedener Stände, Völker und Rassen. Sie gehörten allen möglichen Epochen der letzten
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