0139 - Im Land des Vampirs
nicht. Auch älteste Steinschloßmodelle konnte ich nicht finden. Wahrscheinlich besaßen auch zu dieser Zeit nur Begüterte solche Waffen.
Hinter unserem Tisch befanden sich die Fenster. Es waren nur Löcher, ohne Scheiben. In dicken Schwaden trieb der Tabakrauch auf diese Fenster zu.
Der Tisch neben uns war besetzt. Ein Mädchen namens Hanne bediente die Gäste. Sie hatte braunes Haar, das wirr unter ihrem bunten Kopftuch hervorschaute. Dabei war sie von biegsamer Gestalt und mußte sich manchen Klaps auf die Kehrseite gefallen lassen, was sie jedoch immer mit einem Lachen quittierte.
Marek bestellte einen Krug Wein. Die braunhaarige Hanne nickte, und schon bald brachte sie uns den Krug. Dazu drei Tonbecher.
Mir warf sie einen verschleierten Blick zu und schürzte dabei die Lippen. Ich mußte grinsen. Diese Hanne war ein kleines Teufelchen. Mit gekonntem Hüftschwung zog sie ab.
»Sie hat mal als Marketenderin ihr täglich Brot verdient«, erklärte mir Ilona. Sie sprach dabei nicht gerade in begeistertem Tonfall über die Bedienung.
Die Frauen waren eben zu allen Zeiten gleich.
»Bist du eifersüchtig?« fragte ich.
»Ja!« erwiderte sie, und ihre Augen blitzten dabei.
Sie gab es wenigstens zu. Im Gegensatz zu meiner Freundin Jane Collins, die das immer wieder abstritt.
Was sie wohl jetzt machte? Und Suko, oder Bill? Sicherlich hatte Sir James Powell eine großangelegte Suchaktion gestartet. Auf die Wahrheit würde wohl kaum jemand von ihnen kommen.
Marek schenkte ein. Sein kräftiges »Prost« unterbrach meine Gedanken.
Ich lächelte und trank.
Dieser Wein war wesentlich besser als der, den ich zum Fleisch getrunken hatte. Er löschte den Durst und schmeckte nach mehr.
In der Schenke ging es hoch her. Ein Musikant stellte sich auf die Treppe, zupfte sein Instrument, das mich entfernt an eine Leier erinnerte, und begann zu singen.
Es war eine Moritat. Sie erzählte von Liebe, Tränen, Krieg und natürlich Tod.
Die Gäste klatschten, und der Musiker sang ein zweites Lied. Er hatte eine Stimme zum Einschlafen. Hier hätten mal ein paar Punks Stimmung bringen müssen.
Ich leerte meinen Becher.
Nachdem der Musikus auch sein zweites Lied beendet hatte, ging er mit der Mütze herum und sammelte.
Er bekam fast überall etwas. Sogar Hosenknöpfe wurden in seine Mütze geworfen.
Auch an unseren Tisch trat er.
»Hat den Herrschaften mein Gesang gefallen?« fragte er.
Er bekam keine Antwort. Ich sah auch warum. Stephan Marek starrte ihn an wie einen Geist.
»Was – was ist? Habe ich etwas an mir?« fragte der Musikus.
»Sag mir deinen Namen!« forderte der Alte.
Plötzlich spannte sich auch Ilonas Körper. Sie schaute dem jungen Sänger ebenfalls ins Gesicht.
»Warum sollte ich ihn Euch bekanntgeben? Ich bin ein Sänger, ein Rattenfänger, gehöre zum fahrenden Volk, wie Ihr, Zigeuner.«
Auch ich schaute mir den Jungen genauer an. Seine Haut hatte einen braunen Teint, die Augen waren ebenso dunkel wie die des Mädchens.
Ich hatte einen Verdacht.
»Du bist Karel«, sagte Marek. »Karel, mein Sohn, den ich so lange gesucht habe. Gib es zu!«
»Ich?«
»Ja, du! Karel, der Himmel hatte ein Einsehen!« Marek streckte seine Arme aus. »Komm, komm zu deinem Vater. Wie lange habe ich dich gesucht? Und endlich gefunden.«
Da nickte der Sänger. »Ja, ich bin es.«
Im nächsten Augenblick warf er sein Instrument auf den Boden, und dann lagen sich die beiden Mareks in den Armen. War das ein Wiedersehen! Beiden rannen die Tränen über die Wangen, und der Alte flüsterte: »Ich habe meinen Sohn wiedergefunden. Ich habe ihn gefunden. Freut euch mit mir.«
Auch Ilona schluchzte.
Ich hielt mich da raus, hob das Instrument auf und legte es auf die Bank.
Nach einer Weile lösten sich Vater und Sohn voneinander. Sie waren jetzt auch nicht mehr für die Zecher an den anderen Tischen interessant, die das Wiedersehen teils belustigt, teils spöttisch beobachtet hatten.
»He, Hanne, eine volle Kanne!« Der Alte war so in Fahrt, daß er sogar Reime rief.
»Sehr wohl, die Herren!«
Ilona faßte nach meiner Hand und ließ sie nicht los, während mich ihr Bruder anschaute. »Wer bist du? Ein Freier?«
»Ich heiße John«, sagte ich lächelnd.
»Das will ich gar nicht wissen. Sag mir, ob du um die Gunst meiner Schwester buhlst?«
»Nein.«
»Das kann ich dir nicht glauben. Jeder hier sieht doch, wie es um euch beide bestellt ist. Und auch Ilona schaut dich mit den Augen eines verliebten Weibes an.«
Ilona
Weitere Kostenlose Bücher