0139 - Im Land des Vampirs
aus den Lungen, und der Schlag in die Rippen war auch nicht von schlechten Eltern.
Noch wehrte ich mich.
Mit der Handkante säbelte ich ein Gesicht zur Seite, das dicht vor mir aufgetaucht war, ein angezogenes Knie verschaffte mir ebenfalls Luft, doch dem Hartholzknüppel – vielleicht war es auch ein abgebrochenes Stuhlbein –, dem konnte ich nicht mehr ausweichen.
Er tauchte plötzlich vor meinem Gesicht auf, wurde riesengroß, und dann explodierte er an meiner Stirn.
Aus der Traum.
***
Jemand goß einen Eimer Wasser über meinem Kopf aus. Das Zeug klatschte in mein Gesicht und riß mich aus den Tiefen der Bewußtlosigkeit. Ich fühlte Schläge gegen meine Wangen, und irgend jemand hielt mir ein scharf riechendes Zeug unter die Nasenlöcher.
Das brachte mich vollends hoch.
Ich setzte mich auf, stöhnte jedoch, da sich in meinem Schädel ein Rad zu drehen begann. Mir wurde schwindlig. Hände stützten meinen Rücken ab, so daß ich sitzenbleiben konnte.
Nur allmählich wurden die Umrisse schärfer, und ich erkannte meine Umgebung.
Ich befand mich noch immer in der Schenke. Um mich herum standen die Gäste und schauten mich zum Teil mitleidig, aber auch ehrfurchtsvoll an. Schließlich hatte ich mit sechs Gegnern gekämpft.
Ich tastete dorthin, wo der Schmerz am stärksten war.
Das war die linke Stirnseite, und da hatte mich auch der verdammte Knüppel getroffen. Die Haut war aufgeplatzt, und ich fühlte eine dicke Beule.
»Wo ist Ilona?« krächzte ich.
»Weg«, bekam ich zur Antwort. »Die Söldner haben sie mitgenommen.«
Verflixt, dann war alles umsonst gewesen. Ich wollte aufstehen, es gelang, nachdem mich zwei Leute stützten.
Mich schwindelte, und ich ließ mich zu einem Tisch führen, wo auch die beiden Mareks hockten.
Karel hatte einen Verband um den Kopf. Er leuchtete weiß und war an einigen Stellen blutgetränkt. Der Alte hatte sein Gesicht in beide Hände vergraben und sprach von Rache.
Ich ließ mich schwer auf den Stuhl fallen, jemand reichte mir etwas zu trinken. Es war kein Wein, sondern ein scharfes Zeug, das mir fast die Magenwände zerriß, mich aber wieder munter machte.
Karels Blick traf mich. »Du hast sehr gut gekämpft, John«, sagte er.
»Nein, ich habe nicht verhindern können, daß sie Ilona abschleppten.«
»Das war nicht möglich.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Vielleicht schon auf dem Schloß.«
Ich verzog das Gesicht. »Verdammt, dann muß ich sie zurückholen.«
»Du weißt, was dich erwartet?«
»Ja.«
Die übrigen Gäste hatten schweigend unserem Gespräch gelauscht. Sie waren überrascht und hielten mich wohl für einen Selbstmörder, daß ich es wagte, allein das Schloß zu betreten. – »Ich gehe mit dir«, sagte Karel.
Das war gar nicht so schlecht. Der junge Mann kannte sich in der Gegend aus und wußte auch sicherlich über Schleichwege Bescheid.
Auch der Alte wollte mit, doch wir waren dagegen.
»Nein, ich bleibe dabei«, sagte er. »Ich habe etwas versprochen, und das halte ich.«
Er dachte dabei wohl an den Eichenpfahl, den er immer bei sich trug und der für Vampire tödlich war.
»Wann sollen wir aufbrechen?« fragte Karel.
»Ich würde bis zur Dunkelheit warten«, schlug ich vor.
Karel war dagegen. »Dann ist es zu spät. Es dauert seine Zeit, bis wir das Schloß erreicht haben.«
Ich gab ihm recht. Leider vergaß ich zu oft, daß ich mich in einer anderen Zeit befand. In einer, in der es noch keine Autos, Eisenbahnen, Flugzeuge oder Raketen gab. Hier ging man noch zu Fuß, nahm das Pferd oder das Segelschiff.
Ich stand auf.
Mit beiden Händen mußte ich mich auf der Tischplatte abstützen, weil mich ein Schwindelgefühl packte. Die Tischplatte schien sich zu bewegen, ich kannte die Tricks, atmete ein paarmal tief durch, und es ging mir etwas besser.
Auch Karel hatte Mühe mit dem Gleichgewicht. Wie auch ich, so schaffte er es ebenfalls, auf den Beinen zu bleiben.
Der alte Marek war auch wacklig. Allerdings vom vielen Wein.
Wir waren wirklich eine Truppe, angeschlagen, leicht desolat, aber bereit, den Kampf aufzunehmen.
Mehrere Menschen begleiteten uns nach draußen. Dort ging es mir besser, als ich die frische Luft in meine Lungen saugte. Tief atmete ich durch. Es war etwas kühler geworden. Vom Fluß her wehte ein frischer Wind, der in den Planen der Markstände wühlte und sie knattern ließ.
»Wo setzen wir über?« fragte ich.
Der alte Marek deutete stromaufwärts. »Dort gibt es eine Fähre. Ich kenne den Fährmann. Er wird
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