0139 - Im Land des Vampirs
essen«, lächelte ich.
»Falls man uns etwas gibt.«
»Ganz bestimmt.«
»Das sagst du nur.«
Wir fuhren ab. Wieder verschwand der alte Marek auf der Ladefläche des Wagens, während seine Tochter die Zügel in die Hand nahm. Das Pferd hatte den Angriff der Vampire in der Nacht mit stoischer Ruhe hingenommen.
Wir fuhren wieder den halsbrecherischen Weg hinunter ins Tal.
Noch lag über dem Strom ein Schleier, aber die Sonnenstrahlen dampften immer mehr Feuchtigkeit weg. Schon jetzt war die Luft wesentlich klarer geworden.
Die ersten Schiffe fuhren. Segler, die schwere Lasten zu transportieren hatten und schwer gegen die Stromschnellen ankämpfen mußten, denn hier war der Rhein verdammt tückisch.
Wir erreichten die Uferstraße.
Wie hatte sich das Bild im Gegensatz zu gestern abend doch verändert. Soviel Betrieb hätte ich nicht erwartet. Zahlreiche Menschen waren unterwegs. Entweder zu Fuß oder beritten. Ich sah Pferde- und Ochsengespanne, die vollbeladene Wagen hinter sich herzogen.
»Heute ist Markt«, erklärte mir Ilona voller Stolz. Dann wurde ihr Gesicht traurig. »Leider sind auch die Söldner wieder unterwegs und suchen nach Mädchen.«
Ich lächelte sie an. »Mach dir mal keine Sorgen.«
»Das sagst du so. Diese Häscher sind sehr, sehr gefährlich. Man spricht davon, daß sie auch mit dem Grafen Fariac in Verbindung stehen. Sie sollen ihm Mädchen beschaffen, deshalb haben sie freie Bahn.«
Das war wieder was Neues. Und auch sehr interessant. Vielleicht konnte ich mir einen der Kerle schnappen. Bestimmt wußte er mehr über diesen Vampir. Und ich würde ihn schon zum Reden bringen.
Das Dorf hatte keine Mauer, wie ich es aus Bildern von alten Ortschaften kannte. Die Berge deckten es ab, und vorn bildete der Fluß die Barriere.
An der Anlegestelle, die weit ins Wasser hineinragte, lagen zahlreiche Boote. Auf dem holprigen Pflaster des Kais herrschte bereits ein großes Gedränge. Die Händler hatten ihre Waren ausgebreitet, und einige – die reicheren – bauten regelrechte Stände auf. Selbst auf den Schiffen wurde verkauft. Planken verbanden die Boote untereinander.
Ich schaute hoch zur Burg.
Düster und drohend stand sie auf dem Kamm des Berges. Kein Mensch bewegte sich dort oben, die Burg lag still, und sie stieß wie eine Drohung in den hellen Morgen hinein. Mir schien es, als würden selbst die Sonnenstrahlen es vermeiden, die Mauern zu berühren.
Dort wohnte das Grauen.
Ich wandte meinen Blick wieder ab. Noch war die Zeit nicht reif, dem Vampir-Grafen einen Besuch abzustatten. Dazu wollte ich die Dunkelheit abwarten.
Unser Pferd trottete jetzt nur noch dahin. Dann ging es gar nicht mehr weiter.
Verkehrsstau. Wie auch in der heutigen Zeit. Gespanne versperrten den Weg, weil zwei Fuhrleute sich nicht einigen konnten. Sie schrien sich an und schlugen sogar mit ihren Peitschen aufeinander ein, bis einer von ihnen nachgab.
Wir konnten weiter.
Der Marktplatz lag direkt am Fluß. Dort konnten wir jedoch unser Gespann nicht abstellen. Wir mußten in das Dorf hinein, was auch wieder eine Quälerei war, denn manche Straßen waren so eng, daß der Wagen kaum hindurchkam.
Wir gelangten an einen Brunnen. Mehrere Frauen saßen dort und unterhielten sich. Als wir näher kamen, staunten sie uns aus großen Augen an.
Zwischen zwei Linden stellten wir den Planwagen ab. Ich wickelte die Leine des Pferdes um einen Baumstamm.
Natürlich fiel ich in meiner Kleidung auf. Ich trug einen dünnen Rollkragenpulli, eine Lederjacke und eine Cordhose. Den Mantel ließ ich im Wagen zurück.
Die Frauen am Brunnen steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Als wir an ihnen vorbeigingen, hörte ich, wie eine das Wort »Hexe« zischelte.
Ich blieb stehen und drehte mich um. Scharf schaute ich die Weiber an.
Sie senkten die Köpfe.
Wir gingen weiter. Ilona hatten wir in die Mitte genommen. Bei mir hatte sie sich eingehakt. »Ich habe große Angst«, flüsterte sie.
»So wird es immer sein. Man kennt mich in der Stadt. Die werden losrennen und die Söldner holen. Bestimmt wissen bald alle, daß wir hier sind.« Sie blieb stehen. »Laß uns fliehen, John!«
Ich schüttelte den Kopf. »Und wohin?«
»Nur weg! Was meinst du, Vater?«
»Es hat keinen Sinn. Wir können nicht immer fortlaufen. Hier wird es sich entscheiden, und hier werden wir auch Karel, meinen Sohn und deinen Bruder, wiedertreffen.«
»Daran glaube ich nicht.«
»Aber ich.«
Der Alte blieb hart, das gefiel mir. Auch ich wollte nicht
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