0139 - Wo der Werwolf lauert
um keine dämonischen Tiere. Dem Weihwasser und dem Vaterunser hätte selbst der Teufel nicht widerstanden.
»Immerhin sind es Wölfe«, beharrte der Alte hartnäckig.
Da streckte der graue Wolf die rechte Pfote aus dem Käfig und begann, mit seiner Tatze auf die Erde zu schreiben. Die Zuschauer gafften im Licht der Laternen und Fackeln. Auf dem Grasboden prägten die Buchstaben sich nicht ein.
Aber die Leute aus Dragoviste konnten die Bewegungen verfolgen und daraus die Buchstaben erkennen.
»B - i - l - l. Bill«, buchstabierte Wadlaw. »Das ist ein amerikanischer Name. Dieser Wolf kann schreiben, er hat uns seinen Namen angegeben.«
Auch die weiße Wölfin streckte jetzt die Pfote durch die Gitterstäbe und schrieb in der gleichen Weise. Diesmal las der Bürgermeister laut mit.
»N-i-c-o-l-e. Nicole. Die Wölfin heißt Nicole. So etwas habe ich mein Lebtag noch nicht getroffen. Wir können sie doch nicht einfach umbringen, wenn sie vor dem Kreuz niederknien und sogar ihre Namen mitteilen können. Vielleicht sind es verhexte Menschen, die der alte Bela Stancu irgendwie verzaubert hat.«
Nicolae Dheorgiu lag damit nahe bei der Wahrheit. Aber der Pope mochte so etwas nicht glauben.
»Unsinn, so etwas gibt es nicht. Die Tiere sind dressiert, aber was gerade ein Hexer mit zwei derart abgerichteten Wölfen will, das leuchtet mir nicht ein. Vielleicht verbirgt sich doch ein dämonischer Zweck dahinter. Wir nehmen die beiden Wölfe ins Dorf mit und sperren sie dort sicher ein. Ich werde schon herausfinden, was es mit ihnen auf sich hat. Beeilt euch jetzt, Leute, wir wollen uns nicht unnötig aufhalten.«
Der Pope betrachtete die beiden merkwürdigen Wölfe mit gerunzelter Stirn. Nicole und Bill hätten sich auch mit geklopften Morsezeichen vorstellen können. Bei etwas Übung funktionierte das schneller und effektiver als das langsame Buchstabenmalen, wozu ihre Wolfsgliedmaßen auch nicht so gut geeignet waren.
Aber die Leute aus Dragoviste hätten die Klopfzeichen vielleicht überhaupt nicht als Morsezeichen erkannt oder nicht beachtet.
Unter einer alten Eiche schaufelten vier Männer ein Grab für den Hexer aus. Schaufeln, Hacke und Spaten hatten sie in dem Anbau gefunden. Bela Stancus Taschen wurden ebenso durchsucht, wie man seine Hütte durchstöberte.
Aus Neugierde hauptsächlich, denn von dem Eigentum des Hexers mochte niemand etwas an sich nehmen aus Angst, dessen Geist würde ihn dann verfolgen. Zwei junge Männer brachten Stricke aus der Hütte, sie sollten den beiden Wölfen um den Hals gelegt werden.
Man würde sie auf dem Rückweg zum Dorf scharf bewachen, denn die Einwohner von Dragoviste trauten ihnen nicht. Ein Mann fand den Schlüssel für das Vorhängeschloß in der Tasche des toten Hexers.
Bald lag Bela Stancu in der Grube, die Erdschollen fielen auf ihn herab. Ein Gebet mochte niemand für ihn sprechen. Die Leute aus Dragoviste wagten auf der Lichtung nur zu flüstern. Ängstlich spähten sie umher, die Furcht vor den Dämonenwölfen saß ihnen im Nacken.
Und der Schöne Gunodescu war ein viel schlimmerer Feind als der alte Bela Stancu, der immerhin in Dragoviste geboren war und dort seine Kindheit und frühe Jugend verbracht hatte. Nicht einmal der Pope hätte jetzt noch zum Schloß des Dämons marschieren mögen, dessen Dämonenwolf man zuvor auf der Lichtung hatte heulen hören.
Jetzt erklang das Heulen wieder, weit entfernt. Es kam aus der Richtung des Schlosses am Oitzu-Paß, ein ganzes Rudel heulte dort. Die Menschen aus Dragoviste flüsterten und bekreuzigten sich. Eiskalt rieselte es ihnen über den Rücken.
Das Wolfsgeheule schwoll an und ab. Der Schreckensschrei einer Frau erscholl.
»Da! Ich habe einen Dämonenwolf im Dickicht umherschleichen sehen!«
Ein paar mutige Männer drangen ins Dickicht ein. Sie fanden keine Spur von einem Wolfsmonster. Niemand wußte, ob die Frau sich nur etwas eingebildet hatte, oder ob tatsächlich Dämonenwölfe um die Lichtung streiften.
Aber die Menschen waren noch nervöser geworden. Eilig wurde zum Aufbruch gedrängt. Bewaffnete Posten standen bereit, aber ihnen allen zitterten bei dem bloßen Gedanken, daß die Dämonenwölfe auftauchen könnten, schon die Knie.
Denn normale Waffen vermochten sie nicht zu töten, Kreuz und Weihwasser schreckten bestenfalls ab. Nicht einmal eine Silberkugel beeindruckte die Monster, denn davon, daß diese Silberkugel in Weihwasser gehärtet sein mußte, wußten die Menschen in dieser Gegend
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