0139 - Wo der Werwolf lauert
Heckenstutzen zu helfen. Er warf einen Blick auf Zamorra zurück. Gut sah der Professor aus, nicht mehr so finster und grüblerisch wie in den letzten Wochen, in denen ihn außer Raffael niemand hatte ansprechen dürfen.
Pierre fragte sich, was wohl mit Nicole Duval und Bill Fleming geschehen war. Darüber rätselten auch die anderen Schloßbediensteten und das ganze Dorf. Nur Raffael war eingeweiht, denn er war nicht nur Zamorras Angestellter, sondern auch sein Freund und Vertrauter.
Zamorra klopfte dem Rappen auf den Hals, tätschelte ihm die Nüstern und sprach in halblautem Ton mit ihm. Er gab Eclair ein Stück Zucker, und der Rappe schnaubte und drückte den Kopf gegen Zamorras Schulter.
»Aufgepaßt, mein Alter«, sagte der Professor, setzte den Fuß in den Steigbügel und schwang sich elastisch in den Sattel.
Er trabte los, das Schloßtor stand offen, in flottem Galopp ging es den bewaldeten Berg hinab. Die Sonne lachte vom Himmel, die Vögel sangen, es war ein zwar heißer, aber bildschöner Tag. Das grüne Loire-Tal erstreckte sich weit vor den Augen Zamorras.
Die Weinberge, die Wälder und Felder badeten im Sonnenlicht. Die Oberfläche des gewundenen Flusses glitzerte im Sonnenschein. Zamorra trank diese Schönheit mit den Augen in sich ein, das Herz schlug ihm in der Brust.
Er war guten Mutes, seine Krise lag hinter ihm. Der Besuch in Avalon und Merlins Worte hatten den letzten Anstoß dazu gegeben. Wenn Zamorra Nicole Duval und Bill Fleming tatsächlich nie Wiedersehen würde, würde ihn das zwar sehr schmerzen, aber er würde doch weiterleben und auch seinen Kampf gegen die Mächte der Finsternis fortsetzen.
Doch er hatte noch Hoffnung, Merlins Worte hatten sie verstärkt.
Zamorra gab dem übermütigen Rappen die Zügel frei und ließ ihn tüchtig galoppieren. Die Bauern und Bäuerinnen auf den Feldern zogen die Kopfbedeckung oder grüßten laut, wenn Zamorra an ihnen vorbeipreschte.
Der Professor und Schloßherr von Château de Montagne erwiderte die Grüße freundlich. Zamorra traf den Großbauern Jouffé bei dessen Kornfeldern an. Jean Jouffé stieg gleich vom Mähdrescher, einer seiner Söhne nahm seinen Platz ein. Zamorra verabredete mit Jouffé einen Gesprächstermin für den Abend.
Als er davonritt, überlegte Jouffé, ob er den Professor nicht über den Löffel würde halbieren können. In Zamorras Augen blitzte Unternehmungsgeist, er war wieder energiegeladen. Da würde Jouffé mit seinen Vorstellungen zurückstecken müssen.
Das Mittagessen nahm Zamorra im Dorf ein, sein Pferd wurde vom Hausburschen des Wirts versorgt. Zamorra selbst aß in der Gartenlaube gebratene Ente mit Maronenfüllung und trank dazu ein Glas mit Mineralwasser verdünnten Chablis.
Hinterher rauchte er eine Zigarette, dann suchte er den Bürgermeister auf, denn er wollte sich über Verschiedenes informieren. Das Gespräch mit dem Maire zog sich hin.
Nach 15 Uhr wollte Zamorra zum Schloß zurückreiten. Als er den Ort verließ, rief ihn jemand an. Zamorra zügelte den Rappen. Der Briefträger radelte aus einer Seitenstraße heran und schwenkte einen Telegrammumschlag.
»Monsieur le professeur, monsieur le professeur, bitte warten Sie! Ich habe hier ein Eiltelegramm für Sie! Wenn ich es Ihnen geben kann, brauche ich an diesem heißen Tag nicht den steilen Schloßberg hinaufzuradeln.«
Der Mann in der blauen Postuniform stieg vor Zamorra vom Rad. Er betrachtete das Telegramm.
»Es ist aus Tirgu Ocna in Rumänien.«
Zamorra nahm das Telegramm und riß es auf. Der Text war in französischer Sprache geschrieben und kurz und bündig.
»Wenn Sie Näheres über Nicole Duval und Bill Fleming wissen wollen, kommen Sie nach Dragoviste«, lautete er. Unterzeichnet war das Telegramm mit: ein Freund. Zamorra drehte es in den Händen.
»Ist es etwas Wichtiges?« fragte der Briefträger neugierig. »Ruft man Sie etwa gar noch Rumänien, Professor Zamorra? Wartet dort wieder ein gefährliches Abenteuer auf Sie?«
Die Dorfbewohner wußten, daß Zamorra ein Parapsychologe und Dämonenbekämpfer von besonderem Format war. Sie hatten einen Heidenrespekt vor ihm.
»Ich reise noch heute nach Rumänien ab«, antwortete der Professor, der sich rasch entschossen hatte. »Vielen Dank für das Telegramm und au revoir.«
Während er davonritt, daß unter den Pferdehufen die Funken stoben, überlegte sich Zamorra, wer dieser anonyme Freund wohl sein mochte. Das konnte er nur an Ort und Stelle ergründen. Er wollte so schnell wie
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