0139 - Wo der Werwolf lauert
nichts.
Während Bewaffnete aufpaßten, öffneten vier Männer rasch den Käfig. Wadlaw hielt die Maschinenpistole bereit. Gewehre, drei Pistolen, Dreschflegel, Sensen und Äxte drohten. Doch die beiden Wölfe trotteten ganz friedlich aus ihrem engen, stinkenden Verlies und ließen sich willig die Schlinge um den Hals legen.
Bei einem Fluchtversuch würden sie sich selber die Kehle zuziehen. Bewaffnete Männer flankierten die Wölfe beim Abmarsch. Eng geschlossen marschierte die etwa hundertsechzig Köpfe umfassende Gruppe durch den nächtlichen Wald, die weiße Wölfin und den grauen Wolf in ihrer Mitte.
Vorneweg ging der Pope mit dem erhobenen Kreuz. Er intonierte einen Psalm, in den die Männer und Frauen lauthals einfielen. Immer wieder spähten sie umher, versuchten mit den Augen die Dunkelheit zu durchdringen.
Der Gesang machte ihnen Mut. Er bewirkte, daß sie nicht bei jedem Knacken eines Astes zusammenfuhren, da sie es nicht mehr hörten.
Die Leute aus Dragoviste waren noch keine zwei Kilometer von der Lichtung des Hexers fort, als ein wahrhaft satanisches Gelächter ertönte. Es hallte überlaut und schallend, es schien aus der Erde und der Luft zugleich zu klingen.
Hohn und abgrundtiefe Bosheit klangen darin mit. Ein Hochmut ferner, der die Menschen als armselige Würmer verachtete. Schreie ertönten, zitternde Männer drängten sich noch enger zusammen. Fortlaufen wollte keiner, denn jetzt im Wald abseits von den ändern zu sein, wäre das Allerschlimmste gewesen.
Ein paar Frauen und zwei oder drei Männer fielen auf die Knie und riefen laut Gott um Hilfe an. Der Pope fuchtelte mit seinem Kreuz, er war käsebleich geworden.
Der graue Wolf knurrte, und die weiße Wölfin zeigte die Zähne. Endlich verklang das Satansgelächter. Nur das Rauschen der Blätter im leichten Nachtwind war noch zu hören.
»Weiter!« rief der Pope, er rannte fast los. »Nach Dragoviste, nur fort von hier!«
Eilig folgten ihm die Männer und die paar Frauen. Der Hexer Bela Stancu war tot, aber deshalb atmeten die Menschen keineswegs auf. Sie spürten, daß ie so gut wie gar nichts erreicht hatten.
***
Der grauhaarige Butler Raffael rieb sich die Hände. Zamorra begann endlich wieder, der Alte zu werden. Die quälende Phase der Verzweiflung hatte ihr Ende gefunden. In der Nacht hatte der Professor ein opulentes Mahl zu sich genommen, eine Flasche Wein getrunken und danach bis in den Tag hinein geschlafen.
Beim Frühstück ordnete er an, daß Raffael seinen Rappen Eclair - Blitz -satteln lassen sollte.
»Sie wollen ausreiten, Professor?« fragte der Butler und Haushofmeister.
»Ja, Raffael. Ich will mich mal wieder in der Gegend umsehen und werde mich auch im Dorf blicken lassen. Die Leute glauben womöglich schon, ich wäre gestorben.«
Das faltige Gesicht des alten Raffael strahlte wie die Sommersonne am Himmel.
»Das ist recht, Professor. Reiten Sie nur tüchtig. Die Stubenhockerei ist nicht das Wahre für einen Mann wie Sie. Für Mademoiselle Nicole und Monsieur Bill bete ich jeden Tag. In der Dorfkirche brennen Kerzen für sie am Altar. Ich hoffe doch, es wird sich noch alles zum Guten wenden. Und selbst wenn nicht…«
Raffael zögerte. Er beobachtete Zamorra, um festzustellen, wie dieser auf die Erwähnung Nicoles und Bills reagierte. Flüchtig huschte ein Schatten über Zamorras Gesicht.
Doch dann sagte er: »Die Zeit wird es bringen, Raffael. Wir dürfen den Mut nicht aufgeben und werden das unsere tun, um ihnen zu helfen. - Wie bist du mit den Bauern wegen der Pacht einig geworden?«
»Noch gar nicht, Professor. Wir wollen uns noch einmal zusammensetzen.«
»Das erledige ich«, sagte Zamorra, denn er wußte, daß er ein besserer Verhandlungspartner war als der manchmal etwas umständliche Raffael. »Ich rede gleich heute mit dem Bauern Jouffé, dem größten Pächter. Die Bedingungen, die er annimmt, akzeptieren auch die anderen.«
Die Bauern hätten das Land am liebsten umsonst gepachtet und die Ernte ganz einbehalten. Das war natürlich nicht im Sinn Zamorras, der ein nicht überhöhtes, aber angemessenes Entgelt verlangte.
Als Zamorra das Frühstück beendet hatte, stand der Rappe schon im Schloßhof bereit. Der Stallbursche, der im Schloß Mädchen für alles war, hielt ihn am Zügel.
Der Rappe wieherte freudig. Seine großen Augen blickten Zamorra an. Der Professor bot dem Stallburschen eine Zigarette an.
Der Stallbursche entzündete seine Zigarette und ging in den Park, um dem Gärtner beim
Weitere Kostenlose Bücher