014 - Das Haus der boesen Puppen
gewollt erwiderte ich: »Tut mir leid, ich kenne Sie nicht. Ich heiße auch nicht Charlie.«
Helen sah mich erstaunt an, sagte aber nichts.
Gilberts Verblüffung wuchs, und einen Augenblick lang war er tatsächlich sprachlos. »Aber – so nannte ich dich immer.
Charlie nicht Karl.«
Ich schüttelte entschieden den Kopf. Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder war er tatsächlich ein Bekannter aus
Frankfurt – dann wusste er sicher nicht, dass ich mein Gedächtnis verloren hatte, denn die Bekanntschaft musste mindestens zwei Jahre zurückliegen; oder er wusste von meinem Erinnerungsverlust und versuchte, sich bei mir einzuschleusen – dann musste er nicht unbedingt wissen wie ich aussah, es sei denn, er beobachtete mich bereits längere Zeit. Wahrscheinlich waren die Chancen gering, das herauszufinden, aber ich wollte es wenigstens versuchen.
»Auch wenn es Ihnen befremdlich erscheint, Herr Gilbert, ich heiße auch nicht Karl. Ich nehme an, es handelt sich um einen einfachen Irrtum. Ich kenne die Parteien dieses Hauses alle, wenn auch manche nur dem Namen nach. Wenn Sie mir also sagen, wen Sie suchen, kann ich Ihnen sicherlich behilflich sein.« Er biss an. Ein wenig zögernd – aber doch. Ich sah, wie Helens Augen groß wurden, als sie erkannte, was mir da eben gelungen war.
Er stammelte nämlich schließlich: »Oh, verzeihen Sie! Ich habe mich wohl in der Tür geirrt.«
Ruhig sagte ich: »Es sieht so aus, Herr Gilbert. Wen suchen Sie?«
»Einen Herrn Karl Tepesch.«
»Und Sie kennen ihn nicht persönlich?«
Er zögerte einen Moment, dann gab er zur Antwort: »Doch, aber es ist eine Weile her, seit ich ihn sah.«
»Es schien mir aber eben, dass Sie ihn recht gut kannten so wie Sie mich begrüßten.«
»Stimmt schon«, gab er hastig zu, »aber das Licht hier … Und Sie sehen ihm tatsächlich ein wenig ähnlich.«
»Möglich«, erwiderte ich zweifelnd.
Das machte ihn noch unsicherer und beflügelte seine Absicht, sich zu verabschieden.
»Verzeihen Sie die Belästigung.« Er wandte sich der Tür zu und öffnete sie. »Gute Nacht, die Herrschaften.«
Ich wollte ihn schon zurückrufen, als ich sah, dass sein Blick am Türschild haften blieb. Er erkannte, dass er mir auf den Leim gegangen war. Langsam wandte er sich uns zu. Seine Hände ballten sich. Dann zuckte er grinsend die Schultern und wirkte fast sympathisch.
»Bleiben Sie nur, Eddie«, schlug ich vor. »Es kann nicht schaden, wenn wir uns unterhalten. Und außerdem«, ich erwiderte sein Grinsen – »außerdem kündigten Sie am Telefon an, dass Sie alles dabeihätten. Lassen Sie mal sehen!«
Er hatte wirklich allerhand dabei. Teuren Bourbon und Wein, fertige Sandwichs, sogar Tonicwasser und Knabberzeug, kurz alles, was man zu einem netten Wiedersehensabend mit alten Freunden braucht. Und eine Pistole. Ich sah die Achselhalfter in einem unbewachten Augenblick, als er sich vorbeugte. Von da an war ich sehr vorsichtig. Aber das dämpfte meine Neugier nicht. Ich ließ ihm gerade Zeit sich hinzusetzen und den ersten Bourbon zu kippen, dann fragte ich rundheraus: »Was wollen Sie von mir, Gilbert?«
Statt einer Antwort fragte er: »Woran erinnern Sie sich?«
»An Sie nicht«, erwiderte ich heftiger als beabsichtigt.
Er griff in seine Jackentasche und brachte eine umfangreiche Brieftasche zum Vorschein, die weniger mit Geld als mit Notizen vollgestopft war. Daraus entnahm er ein Foto, das er mir reichte. »Kennen Sie den?«
Es war ein Schwarzweißbild, auf dem ein jüngerer Mann von etwa fünfundzwanzig abgebildet war, der vor einem düster wirkenden Gebäude stand. Das bartumrandete Gesicht kam mir vage bekannt vor. Sein Haar war etwas heller als meines. Er schien in Eile zu sein. Mir fiel nichts Besonderes an dem Foto auf.
»Könnten Sie vor zehn Jahren gewesen sein«, brummte ich.
Er verneinte. »Das waren Sie vor drei Jahren.«
Verblüfft betrachtete ich das Bild erneut. Ja, es mochte tatsächlich stimmen. Das Gebäude dahinter kannte ich nicht. Außer einem kleinen Mädchen, das im Hintergrund stand, weit weg, befand sich niemand auf der Straße.
»Es wurde in Frankfurt aufgenommen«, erklärte er weiter,
»vor dem Redaktionsgebäude einer Zeitung, für die Sie als Fotograf tätig waren. Sie sehen, ich kannte Sie tatsächlich bereits in Frankfurt, wenn auch nicht persönlich. Ich kannte Ihre Arbeit sozusagen als Kollege. Ich bin Reporter für das Konkurrenzblatt.«
»Kann ich es behalten?«
»Wenn Sie wollen. Ich habe noch Kopien
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