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014 - Das Haus der boesen Puppen

014 - Das Haus der boesen Puppen

Titel: 014 - Das Haus der boesen Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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mein Gesicht genauer an.
    »Charlie?« rief sie erschrocken.
    Ihr Gesicht wurde eine Maske puren Entsetzens. Sie wollte laufen, aber ich hielt sie fest und erstickte ihren Schrei mit der Hand.
    Sie hatte nicht mehr Zeit für einen zweiten. Ich sagte etwas.
    Es war ein Knurren, das aus meinem Rachen kam.
    »Charlie!« rief eine Stimme irgendwo inmitten dieses Alptraumes. Aber ich wachte nicht auf. Ich wusste, was kam, und ich wachte nicht auf. Jemand rüttelte an meinem Arm, an meiner Schulter. Zu schwach.
    Ich riss das Kleid herunter und bohrte meine Fänge in das Fleisch. Blut spritzte aus der zerrissenen Schlagader. Der Körper wurde schlaff, das Herz schlug schwächer und schwächer.
    Ich spürte, wie die Kraft in mich überfloss, wie das entweichende Leben in mich hineinkroch und den quälenden Hunger stillte, wie ich satt wurde.
    Mit der Sattheit begann ich auch die Umwelt wieder wahrzunehmen. Ekel würgte mich. Ich wischte das Blut aus den Augen, vom Gesicht. Es klebte überall, an der Haut, am Hemd, im Haar. Ich wollte mich übergeben und konnte es nicht.
    Ich sah die Leiche zum ersten Mal bewusst – und schrie auf.
    Von irgendwo näherten sich Stimmen und Lichter.
    Mein Gott, was hatte ich getan? Helen!
    Meine Gedanken rasten, ließen mich den Schmerz vergessen.
    Ich musste fort. Fort.
    Ich blickte auf und sah die Puppen um mich stehen. Ihre Gesichter waren teilnahmslos – ohne Regung – verdammtes Plastik. Sie winkten, winkten mir zu folgen.
    Ich taumelte hinter ihnen her, noch immer benommen. Mir war speiübel vor Abscheu und Grauen.
    Sie führten mich sicher durch leere Straßen. Niemand sah mich. Niemand sah das Blut an meinem Hemd, das an meinem Körper klebte. Als hätten sie es schon hundertmal getan, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt, als hätten sie den ganzen Abend nur darauf gewartet, geleiteten sie mich durch die Nacht, stützten mich, wenn ich taumelte, stießen und drängten mich, wenn ich anhielt, zu schwach und zu blind, um einen weiteren Schritt zu tun.
    Wir kamen zu Hause an. Es war der endloseste Weg meines Lebens. Dort erwachten sie zu emsiger Tätigkeit, entkleideten mich, wuschen mich, beseitigten alle Spuren und brachten mich zu Bett wie fürsorgliche Geister.
    Dann verschwanden sie – einzeln, nach und nach, bis nur noch das Mädchen da war. Thaja. Sie setzte sich auf das Fensterbrett und beobachtete mich stumm, während ich starr auf meinem Bett lag, eiskalt vor Entsetzen.
    Ich fand keinen Schlaf. Ich warf mich herum, aber das grausige Bild war vor meinem inneren Auge.
    Plötzlich war die Puppe neben mir. Sie beugte sich über mich, drückte ihr Gesicht auf meine Brust, als wollte sie mich küssen.
    Ich spürte ihre kleinen Zähne, dann die Nadeln, dann die betäubende Droge. Ich rührte mich nicht und ersehnte den Augenblick der Willenlosigkeit.
    Als sie von mir abließ, lag ich bereits entspannt. Die Erinnerung war nicht länger bedrückend. Was geschehen war, war geschehen. Es berührte mich nicht mehr. Nichts war wirklich wichtig. Es gab keine Pein mehr, keine schmerzlichen Gedanken. Nur Müdigkeit, Müdigkeit.
    »Charlie!«
    Eine Stimme drang in mein Bewusstsein. Sie klang schrill vor Hysterie.
    »Charlie! O Gott, hörst du mich denn nicht? Was ist mit dir?«
    Ich hatte die Augen offen, aber es dauerte eine Weile, ehe ich Carlotta wirklich wahrnahm. Sie stand blass über mich gebeugt.
    »Carlotta«, murmelte ich.
    Erleichtert drückte sie mich an sich. »Oh Charlie, was ist nur Schreckliches geschehen? Dein Gesicht es sah aus wie …« Sie stockte. »Es hatte etwas Wölfisches an sich.«
    »Ich habe geträumt –, ich hätte Helen – umgebracht«, sagte ich tonlos und versuchte, die Bilder fortzuwischen. Doch es ging nicht.
    »Welch ein verrückter Traum!« erwiderte sie, noch immer Erleichterung in der Stimme.
    »Es war kein Traum«, sagte ich, ohne sie anzusehen. »Ich hatte keinen Alptraum. Ich erinnerte mich.«
    Als ich aufsah, lag eine erste Ahnung von Begreifen in ihren Zügen.
    »Du hattest recht, Carlotta«, fuhr ich fort, »es ist ein Dämon in mir.« Ich starrte sie mitleidig an. In diesem Augenblick dauerte sie mich weil sie mich kannte und liebte. »Ich bin der Vollmondmörder.«
    Sie glaubte mir und lief nicht schreiend fort. Nur ich wäre am liebsten schreiend vor mir weggelaufen. Ich wusste, dass früher oder später die volle Erinnerung wiederkommen würde, dass ich mich an alle meine Morde erinnern würde, mit allen grausigen

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