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014 - Das Haus der boesen Puppen

014 - Das Haus der boesen Puppen

Titel: 014 - Das Haus der boesen Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Details.
    »Ich muss blind gewesen sein«, sagte sie. »Ich hätte es längst erkennen müssen. Dann hätten wir vielleicht vermeiden können, dass ausgerechnet Helen das Opfer wurde.«
    »Du hättest es erkennen müssen?«
    Ich verstand nicht sofort, was sie meinte. Die Erinnerung war zu lähmend. Warum vergaß ich es nicht wieder? Wo blieb er, dieser schützende Mechanismus? Mir gefror das Blut in den
    Adern.
    »Aber ja, Charlie. Ich war blind. Deine offensichtliche Verwandlung bei Mondlicht. Dein Knurren, als du über mich herfielst in Helens Wohnung und später im Hotel.« Sie schüttelte ihren Kopf. »Ich muss wahrhaftig blind gewesen sein. Die ganze Zeit über verwunderten mich Dinge an dir, die mich vage an etwas erinnerten. Aber jetzt hat alles einen Platz: deine buschigen Brauen, deine stark behaarten Handrücken, der Einfluss des Mondes und – der eindeutigste Beweis. Ich dachte, ich hätte mich geirrt, aber jetzt weiß ich, dass es kein Irrtum war.«
    »Was, Carlotta? Wovon sprichst du?«
    »Im Hotel«, sagte sie leise, »als du fortliefst, erinnerst du dich?«
    Ich nickte.
    »Da hielten dich nur meine Furchtlosigkeit und meine Liebe ab, über mich herzufallen. Ich wäre dein Opfer geworden, wenn ich weggerannt wäre oder geschrieen hätte.
    Aber etwas warnte mich, zu laufen. Du hast dich dann losgerissen, und da schaute ich in den Spiegel – und sah kein Spiegelbild von dir.
    In jenem Moment warst du bereits Bestie und nicht mehr
    Charlie Tepesch.«
     

     
     
    »Kein Spiegelbild?« wiederholte ich und fühlte, wie sich die Haare in meinem Nacken aufzustellen begannen.
    »Du bist kein Mörder, Charlie. Du bist nichts so Banales wie ein abartiger Mensch. Du bist ein pures Geschöpf der Phantasie. Du wärst König der Geschöpfe, aber du bist ein paar Jahrhunderte zu spät geboren.«
    Sie lächelte mir zu wie einem guten Freund, einem Geliebten, und ich wusste, dass all das Grauen ihre Liebe für mich nicht ausgelöscht hatte.
    »Du bist ein Werwolf, Charlie.«
    »Ich dachte«, sagte ich später zu ihr, »Werwölfe würden sich wirklich in Wölfe verwandeln, nicht einfach nur Bestien in Menschengestalt sein.«
    »Warum sollte die Phantasie weniger variabel sein als die Natur?«
    »Gibt es keinen anderen Weg für mich, als so zu töten?«
    Sie schüttelte traurig den Kopf. »Nein. Selbst wenn du es mit aller Macht versuchen würdest. Es ist der Fluch deiner Existenz.
    Der Mond wird dich immer wieder dazu treiben. Dein wahrer Fluch, mein Liebster, ist, dass zuviel Menschliches in dir ist.«
    Dann kamen die Erinnerungen. Tropfenweise fielen sie wie mit Blut gezeichnet in die Leere meines Bewusstseins. Aus den Tropfen wurde allmählich ein Bach, ein Fluss – der breite, rote Strom meines Lebens, in dem ich meinen Hunger gestillt hatte.
    Da waren auch vage Erinnerungen an mein menschliches
    Leben, an Menschen, die mir vertraut gewesen waren, an
    Liebe, Hass, Leidenschaft, an Mutlosigkeit und Verzweiflung,
    an Augenblicke des Erinnerns, und des Vergessens, an fremde
    Städte, fremde Straßen, fremde Menschen.
    Aber das alles verlöschte vor der verschwenderischen Fülle des Todes, den ich gebraucht hatte, um selbst zu leben, um den Dämon in mir am Leben zu erhalten.
    Es gab Augenblicke, da war alles einfach unerträglich, trotz Carlottas vernünftiger, beruhigender Worte. Die Leidenschaft, die sie in mir entfachte, hielt mich davor zurück, mein Leben einfach wegzuwerfen. Sie gab mir Halt, wie ich ihn noch nie zuvor besessen hatte. Doch sie verlangte, was mir unmöglich, unerträglich erschien: mit meinen Erinnerungen zu leben.
    Aber ich wollte nur vergessen. Ich sehnte mich wieder nach der Leere im Gedächtnis. Irgendwo in mir war der Schlüssel zum Vergessen. Ich hatte immer wieder vergessen. Aber wie?
    Es schien, als wäre dieser Schlüssel tief in mir verborgen.
    Und als ich die Lösung besaß, als ich wusste, wie ich vergessen konnte, kam eine neue Qual. Wenn ich vergaß, vergaß ich auch Carlotta. Damit waren Vergessen und Erinnern gleichermaßen zur Qual geworden, beides war unerträglich.
    Es gab nur einen Menschen, der mir helfen konnte, der mir immer geholfen hatte. Entschlossen nahm ich Carlotta an der Hand. Ich küsste sie und sagte: »Hab’ keine Angst!«
    Und ich sah, dass sie keine hatte.
    Dann rief ich leise. Ich brauchte nicht laut zu rufen, denn sie waren nah. Sie waren immer nah, bereit, mich zu beschützen.
    »Thaja! Mortar! Eimer! Thula!«
    Carlotta sah mich erstaunt an, aber sie

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