0141 - Mein Todesurteil
Glas.
Doch sie trank nicht. Nur mit der Zungenspitze berührte sie die Oberfläche der Flüssigkeit, kostete, schmeckte, prüfte und stellte fest, daß es sich nicht um Wein handelte.
Dazu war er viel zu süß.
Nein, die Menschen hier tranken etwas anderes. Wein war vielleicht als geringer Bestandteil vorhanden, doch die größere Menge bestand aus Blut!
Und das tranken die Menschen.
Ja, die tranken es, als wäre es ein besonderer Nektar, die Worte ihres Chefs hatte die nötige Wirkung erreicht.
Blut ist ein besonderer Saft, hatte mal jemand gesagt. Aber Jane wollte ihn nicht trinken. Sie wußte auch, wie sie diesem Umstand entgehen konnte.
Sie hatte sich zuvor bewußt so aufgestellt, daß sich in der Nähe eine Vase befand. Sie stand auf einem kleinen runden Holztisch und war leer. Als alle tranken, goß Jane Collins den Inhalt ihres Glases gedankenschnell in die Vase.
So war das Glas leer. Noch einige Schlieren liefen an den Innenseiten der Ränder zusammen.
Gordon Fariac ließ seinen rechten Arm sinken und schaute sich um. Alle hatten ihre Gläser geleert, und der Firmenboß nickte zufrieden. Plötzlich lächelte er.
Jane glaubte für einen Bruchteil einer Sekunde zwei spitze Vampirzähne zu sehen, es konnte aber auch eine Täuschung gewesen sein. Sie war sich nicht sicher.
Keiner lachte, niemand sprach. Man sah den Menschen an, daß ihnen der Wein wohl nicht sonderlich gemundet hatte. Viele wurden blaß und bewegten sich unruhig. Sie öffneten den Mund, schlossen ihn wieder, und eine Frau begann zu torkeln.
»Ihr habt ihn getrunken!« rief Gordon Fariac laut. »Ihr habt mir gehorcht, und ihr habt damit auch ihm gehorcht. Das war am wichtigsten, denn nun ist das Band zwischen meinem Ahnherrn, dem Grafen Fariac, und euch geknüpft. Ihr seid untrennbar verbunden, denn ihr habt keinen Wein getrunken, sondern sein Blut. Jawohl, es war das Blut meines Ahnherrn und dessen Dienerinnen, das ich über all die Jahrhunderte hin verwahrt habe. In meiner Fabrik habe ich Zeit und Möglichkeit gefunden, um das Blut zu konservieren, und ich werde es auch schaffen, das Blut des Ahnherrn weiter zu verbreiten. Lange habe ich über die Methoden nachgedacht, und sie sind mir eingefallen. Ich kann das Blut meines Ahnherrn verlängern, ich kann es mischen, denn der Keim wird nicht zu töten sein. Immer wird er weitergegeben. Ich habe meine Vorbereitungen getroffen, denn die Zeit der Vampire ist da, das spüre ich. Nicht zuletzt begann es mit der Erweckung des Supervampirs, Vampiro-del-mar. Auch er will in diesen Reigen mit eintreten, in dem ihr die Diener seid. Die Diener des Blutes, denen es vergönnt sein wird, unsere Feinde zu vernichten.«
Jane Collins hörte die Worte wohl, und sie fühlte sich ungemein bedrückt. Sie wußte genau, daß dieser Fariac kein Sprüchemacher war, denn jedes Wort stimmte, das sah sie ihm an. Fariac hatte ein Erbe übernommen, und er würde es bis zum bitteren Ende durchführen.
Und noch etwas erschreckte Jane Collins. Ein furchtbarer Name war gefallen.
Vampiro-del-mar!
Jane hatte diesen Supervampir zwar noch nicht gesehen, aber von ihm gehört. Er hatte die Jahrhunderte in den Tiefen der Nordsee verbracht und war durch Dr. Tod, Asmodinas rechter Hand, erweckt worden. Dr. Tod war dabei, die Mordliga zu gründen, und er hatte Vampiro-del-mar in seinen Kreis mit aufgenommen.
Dieses war der kleine Kreis, und der größere, der allgewaltige, schloß sich plötzlich.
Irgendwie hing alles miteinander zusammen. Es geschah nichts ohne Motiv auf dieser Welt, dies mußte Jane auch immer wieder feststellen. Nicht erst heute hatte sie das bemerkt. Wenn es Fariac gelang, das Blut zu konservieren und durch seinen hervorragenden Vertrieb an den Mann zu bringen, dann wagte Jane kaum daran zu denken, welch eine Plage sich auf der Welt ausbreiten konnte. Die Konserven mit dem Vampirkeim konnten überall hingeschickt werden, gut getarnt würden sie ihren Empfänger erreichen.
Grauenvolle Aussichten…
Und alles hatte seinen Anfang in dieser Londoner Kosmetik-Fabrik genommen, mit dem harmlos erscheinenden Tip eines Unterweltspitzels. John Sinclair war in die Falle gelaufen, ebenso Bill Conolly, und von Will Mallmann hatte Jane auch noch nichts gesehen.
Niemand konnte sie unterstützen, denn die zehn Menschen hatten bereits den Keim des verruchten Blutes in sich.
Man konnte es ihnen ansehen. Einige taumelten, röchelten, bekamen nur schwer Luft, suchten Sitzgelegenheiten und ließen sich darauf
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