0141 - Mein Todesurteil
vor, Gordon Fariac so lässig wie möglich entgegenzutreten. Er sollte nichts merken.
Auf dem Gang klappten die ersten Türen. Die Leute machten sich bereit. Für sie war das kalte Büfett das größte. Allerdings würde das Erwachen sicherlich böse werden, daran glaubte Jane fest.
Jemand klopfte an ihre Tür.
Jane erschrak. War das Bill?
»Ja, bitte?«
Ein älterer Mann öffnete. Er trug jetzt einen dunklen Anzug und ein Rüschenhemd. Sein grauweißes Haar hatte er sorgfältig gekämmt.
»Es wird Zeit, Miß Collins, nicht wahr?«
Jane nickte.
»Gordon Fariac hat mich damit beauftragt, die Mitarbeiter zu sammeln. Wir wollen gemeinsam hinuntergehen.«
»Ich bin einverstanden«, erklärte Jane.
Der Mann schaute sich im Raum um.
»Suchen Sie was?«
»Ja, Ihren Begleiter…«
Jane lächelte. »Mr. Conolly kommt nach. Er ist noch unterwegs, denn er will ein paar Fotos schießen.«
»Natürlich. Entschuldigen Sie.«
Jane Collins verließ das Zimmer. Alle waren bereits auf dem Gang versammelt. Sie redeten durcheinander und hatten sich auch umgezogen. Die Damen waren meist in ihren besten Kleidern erschienen. Auch die Männer trugen dunkle Anzüge.
Es war fast wie zu Weihnachten.
Der Weißhaarige fühlte sich als King. Mit stolzgeschwellter Brust schritt er vor. »Darf ich die Herrschaften dann bitten, mich nach unten zu begleiten?«
Man ging mit.
Jane hielt sich zurück. Sie schritt als letzte die gewundene Treppe hinunter, wo Fariac bereits wartete. Vor der letzten Stufe hatte er sich aufgebaut und begrüßte jeden seiner Mitarbeiter noch einmal mit Handschlag.
Dann kam Jane an die Reihe.
Der Smoking stand Fariac gut, das mußte sie zugeben. Er war wirklich eine elegante Erscheinung. Auch Jane bekam einen Händedruck. Die Detektivin hatte das Gefühl, als würde der Mann ihre Hand besonders lang festhalten.
Sie hielt seinem Blick stand.
»Ich hoffe, Sie fühlen sich bei uns wohl, Miß Collins«, sagte er lächelnd.
»Natürlich.«
»Ist Ihr Freund nicht mitgekommen?« erkundigte er sich scheinheilig.
»Nein.«
»Oh, das ist schade.«
Jane Collins entging nicht der spöttische Ausdruck in seinen Augen. Auch so etwas wie Triumph schimmerte darin. Ihr war klar, daß Fariac genau wußte, wo sich Bill befand, doch er sagte nichts, dafür ließ er ihre Hand los.
»Meine Herrschaften!« rief er. »Das kalte Büfett ist hiermit eröffnet. Bitte sehr!«
Auf diese Worte hatten wohl alle Gäste gewartet, denn von dem Büfett erzählte man sich daheim in London wahre Wunderdinge.
Die Leute stürmten los. Daß sie sich dabei nicht gegenseitig über den Haufen rannten, war fast ein Wunder.
Schon ging der erste Teller zu Bruch. Die Scherben hüpften über den Boden, eine Frau schimpfte, ein Mann lachte schadenfroh.
Jane Collins wartete ab. Sie schaute auf die Rücken der »Kämpfenden« und konnte nur den Kopf schütteln. Da glaubte man, in einer modernen Überflußgesellschaft zu leben, aber wenn es etwas umsonst gab, waren die Menschen nicht zu halten. Solche Szenen sah man auch bei Supermarkt-Eröffnungen, wenn Bier für ein paar Pennies verkauft wurde.
Gordon Fariac fiel der Detektivin auf. Der Unternehmer hielt sich zurück. Er stand in der Ecke eines Raumes, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und beobachtete nur. Jane sah das gekünstelt wirkende Lächeln auf seinen Lippen, und zum ersten Mal hatte sie auch Zeit, sich die Augen ein wenig näher anzuschauen.
Jane Collins entging nicht der hungrige, beinahe gierige Ausdruck darin, mit denen Gordon Fariac seine Mitarbeiter beobachtete. Ja, es war eine Gier, und der Mann in dem Smoking erinnerte Jane an einen Löwen, der ein Rudel Zebras unter Kontrolle hält, um im geeigneten Moment blitzschnell zuzuschlagen.
Die Detektivin fröstelte.
Gleichzeitig schien Fariac bemerkt zu haben, daß er beobachtet wurde.
Sein Kopf ruckte herum.
Hastig schaute Jane zu Boden, sie wollte dem Mann nicht unbedingt in die Augen sehen.
Fariac nickte Jane zu. Langsam schlenderte er näher und deutete auf das Büfett. »Haben Sie keinen Hunger?«
»Doch, Mr. Fariac.«
»Und warum essen Sie nichts?«
»Ich warte, bis es nicht mehr so voll ist.«
»Eine gute Einstellung. Erlauben Sie, daß ich Ihnen etwas von den Köstlichkeiten hole?«
»Nein, danke, aber das möchte ich selbst machen. Bemühen Sie sich nicht. Sie haben sowieso viel zu tun.«
»Nicht der Rede wert. Ich mache dies gern, Miß Collins. Da fällt mir etwas ein. Wo steckt eigentlich Ihr
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