0143 - Brücke ins Jenseits
dem Augenblick, wo Sie mich hier wegbringen, jage ich mir diese Kugel ins Herz.«
Wir schwiegen. Der Arzt sah fassungslos von Phil zu mir. Ich zuckte mit den Achseln. Dagegen war nichts zu machen.
»Würden Sie mir bitte sagen«, kam auf einmal die Stimme des Mädchens an mein Ohr, bescheiden und bittend: »Warum Sie ausgerechnet hier sterben wollen?«
Die Frage hing in der Luft, bis das Tuten eines Nebelhorns von Harlem her die Stimme zerriss. Als der lange, heulende Ton verklungen war, hörten wir Johnnys Stimme. Sie kam langsam, fast feierlich aus diesem zahnlosen Mund, und wir mussten uns ziemlich anstrengen, um ihn zu verstehen.
»Davon versteht ihr alle nichts«, sagte Johnny. »Damals, 1888, da war es ganz anders. Alles war anders. Damals lagen die Armen oft unter den Brücken und im Rinnstein. Ich - versteht ihr - ich bin unter dieser Brücke geboren worden…«
***
Es war gegen halb sechs, als wir die kleine Kneipe in der Bronx betraten. Über das Sprechfunkgerät hatten wir unsere Zentrale angerufen und den Namen eines Mannes erbeten, der in der Bronx Bescheid wusste und gelegentlich dem FBI Informationen zukommen ließ.
Raggedy Moore. Diesen Namen hatte man uns genannt. Und die Beschreibung der Gegend, wo Moore seine kleine Kneipe betrieb.
Wir ließen den Wagen einen Häuserblock vorher stehen und stiegen aus. Hier war die finsterste Bronx, und allein hätte ich nicht durch die winkeligen Gassen gehen mögen. Allein unsere sauberen Anzüge fielen auf. Ich war heilfroh, dass es hier oben tatsächlich einen bewachten Parkplatz gab, wo ich den Jaguar hatte abstellen können.
In der Kneipe war nicht viel Betrieb. Eigentlich bestand sie nur aus einer hohen, hufeisenförmig geschwungenen Theke, die mit lauter hohen Barhockern bestückt war. Wo die Enden des Hufeisens noch ein bisschen Platz ließen, waren zwei kleine Tische eingeklemmt mit ein paar wackeligen Stühlen.
Vier oder fünf Männer hockten an der Theke.
Wir setzten uns an ein Ende des Hufeisens, wo wir ohne Nachbarschaft waren, und bestellten Whisky.
Der Wirt war ein kleiner Kerl mit einer spiegelblanken Glatze. Die nach hinten fliehende Stirn wurde von einem Busch grauer Augenbrauen begrenzt, der ohne Trennung vom linken zum rechten Auge hinüberlief.
Er musterte uns misstrauisch.
»Haben Sie Feuer?«, sagte ich und hielt ihm meine Zigarette hin.
Er stutzte für den Bruchteil einer Sekunde, dann warf er mir eine Schachtel Streichhölzer auf die Theke.
Wir hatten unterwegs im Wagen bereits eine gleichartige Schachtel vorbereitet. Während ich mir die Zigarette ansteckte, vertauschte ich die Schachteln.
Eine Weile ließ der Wirt die Schachtel achtlos auf der Theke liegen. Dann nahm er sie und steckte sie in seine Hosentasche.
Unsere Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt. Wir tranken bereits den dritten Whisky, als der Wirt durch eine schmale Tür nach hinten verschwand.
Es dauerte ein Weilchen, bis er zurückkam.
Wir warteten noch ein paar Minuten, dann fragte Phil: »Kann ich auch mal Feuer haben?«
Der Wirt griff wortlos in seine Hosentasche und warf die Streichhölzer vor Phil auf den Tisch.
»Ich möchte zahlen«, sagte ich, während Phil sich seine Zigarette ansteckte, mir die Schachtel zuschob, damit auch ich mir eine neue anstecken konnte. Dabei vertauschte ich wieder die Schachteln, sodass unsere vorbereitete Packung wieder in unseren Besitz kam, während der Wirt seine wiederbekam.
Ein paar Minuten später verließen wir die Kneipe und gingen zurück zum Wagen. Wir setzten uns hin, und ich zog die Streichholzschachtel heraus.
Ich holte den zusammengerollten Zettel heraus.
Wo erwischt man Joe Harper?, stand auf dem Zettel.
Es war die Frage, die wir aufgeschrieben hatten. Ich drehte den Zettel um.
Das kann Ihnen nur Randy Stockfield sagen .
Dahinter kam in Stichworten eine Beschreibung der Gegend, wo man Randy Stockfield auftreiben konnte.
Wir machten uns auf den Weg. Da es in der Nähe sein musste, ließen wir den Jaguar stehen und gingen zu Fuß.
Ein paar Mal versuchten Gruppen von Halbwüchsigen, uns anzupöbeln. Aber da wir nicht darauf reagierten, verloren sie die Lust, uns mit ihren Schimpfworten ärgern zu wollen.
Randy sollte in einer Gegend wohnen, die man dort oben einfach die Gasse nannte. Ob dieses merkwürdige Ding tatsächlich keinen Straßennamen hatte, war nicht zu erfahren. Nach der Beschreibung des Wirtes, die zwar knapp, aber genau war, fanden wir die Gasse schnell.
Sie war eigentlich nur
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