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0143 - Brücke ins Jenseits

0143 - Brücke ins Jenseits

Titel: 0143 - Brücke ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brücke ins Jenseits
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brannten vor Müdigkeit, jeder Muskel befand sich in einem Zustand schmerzender Schlaffheit, und doch hätten wir nicht schlafen können, auch wenn wir im schönsten Bett New Yorks gelegen hätten.
    Der Nebel verdunkelte den Tag. Überall flammten schon die Lichter in den Büros der Wolkenkratzer auf. Phils und meine Zigarette standen wie zwei rote Signallampen unbeweglich im düsteren Raum.
    Keiner sagte ein Wort. Wir waren fertig.
    »Man sollte mal auf eine einsame Südseeinsel fahren«, sagte Phil nach einer Weile.
    »Wo es keine Menschen gibt«, setzte ich hinzu.
    »Ja nur Meer und Sand und ein paar Tiere…«
    Der alte Traum vom Paradies in abgewandelter Form. Ich wollte gerade die Augen schließen, und diesen Traum ganz von mir Besitz ergreifen lassen, als mich das schrille Klingeln des Telefons zurück in die Wirklichkeit riss.
    Gut, ich hätte nicht abzuheben brauchen. Der Kollege aus der Vermittlung hätte dann zwangsläufig angenommen, Phil und ich wären unterwegs. Aber ich war G-man.
    Ich richtete mich auf. Ich nahm den Hörer.
    »Cotton«, sagte ich.
    Im gleichen Augenblick schaltete Phil das Licht ein. Mit einem Schlag war das Office wieder da, mit all seinen Forderungen. Das FBI griff wieder nach uns und wir waren wieder G-men.
    Ich lauschte eine Weile. Dann sagte ich: »Okay. Sie soll bei dem Alten bleiben. Wir kommen sofort. Wenn möglich, bringe ich unseren Arzt mit.«
    Ich legte den Hörer auf. Phil hatte seine Zigarette ausgedrückt und saß auf dem Sprung. Bereit, sich in jede Sache der Welt hineinzustürzen, wenn es unsere Pflicht verlangte.
    »Was ist los?«, fragte er.
    Seine Stimme klang so sachlich wie eh und je.
    »Wir sind zwei große Esel«, sagte ich. »Wir hätten auch daran denken können, dass es neben der großen, berühmten George Washington Bridge noch die kleinere Washington Bridge gibt, die zwischen Manhattan und der Bronx liegt.«
    Phils Gesicht erhellte sich. Er hatte sofort verstanden.
    ***
    »Das ist er!«, sagte die junge Dame leise.
    Wir traten näher.
    Johnny Midwell, der ehemalige Gangsterkönig der Bronx, lag wie eine Ratte, die sich in eine dunkle Ecke verkrochen hat, um allein zu sterben.
    Unser Doc beugte sich über den Alten. Eine Weile beschäftigte er sich schweigend mit dem verbrauchten Körper dieses Mannes. Dann wandte er sich uns wieder zu.
    »Der Mann ist nicht niedergeschlagen, worden. Er hat eine offene Tuberkulose«, sagte er leise. »Außerdem hat er eine Lungenentzündung.«
    Das Mädchen sah uns erschrocken an.
    »Abei; - wir müssen ihn sofort wegbringen«, sagte sie.
    Unser Doc schüttelte den Kopf: »Das ist nicht mehr nötig«, sagte er. »Der Mann lebt, wenn ein Wunder geschieht, noch zwei Stunden. Wenn keins geschieht…«
    Unser Doc zuckte nur die Achseln.
    »Seien Sie vorsichtig«, riet er leise. »Sie wissen, Tuberkulose…«
    Er beendete auch diesen Satz nicht.
    Ich kniete neben Midwell nieder.
    »Hallo, Johnny«, sagte ich.
    »Wer… wer sind Sie?«, kam es pfeifend über seine blassen Lippen.
    »Ich bin Cotton. Sie haben mir doch einen Brief geschrieben, Johnny. Erinnern Sie sich nicht mehr?«
    Auf einmal kam Leben in den Alten. Er versuchte, sich aufzurichten. Wir halfen ihm, bis er saß, den Rücken gegen die Wand des Brückenpfeilers gelehnt. Sogar in seine Augen kehrte wieder etwas von Energie und Bewusstsein zurück;
    »Cotton«, murmelte er.
    »Ja«, nickte ich. »Es freut mich, dass ich Sie mal kennenlerne, Johnny. Ich habe eine Menge von Ihnen gehört. Sie waren ja mal ein großes Ass auf unserer Gegenseite, nicht wahr?«
    Schien es mir nur so, oder huschte wirklich der schwache Abglanz eines Lächelns über sein Gesicht?
    »Damals«, hauchte er. »Der ungekrönte König der Bronx. So haben sie mich damals genannt. Sogar die Zeitungen. Da war ich noch was, G-man. Da liefen zwanzig Leute rum, die nichts weiter zu tun hatten, als darauf aufzupassen, dass mir kein Härchen gekrümmt wurde. Da bezahlte ich manchmal bis zu vierhundert Leute, die für mich arbeiteten. Ja, G-man, damals war meine goldene Zeit…«
    Es kam mir in den Sinn, ihn zu fragen, wie viel Leute seine goldene Zeit mit ihrem Leben bezahlen mussten, aber als ich die Todesschatten in seinem Gesicht sah, unterließ ich es.
    »Was wollten Sie eigentlich mit dem Brief, Johnny?«, fragte ich.
    »Hat denn keiner ’nen Schluck Whisky von euch«, formulierten seine Lippen so leise, dass man es eher raten als verstehen konnte.
    Ich sah den Doc fragend an.
    »Eigentlich sollte er

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