0143 - Für Menschen verboten
Warum kam der Kleine nicht zurück? Bergmann, der sich anscheinend die gleiche Frage gestellt hatte, fragte: „Wo bleibt der Chef?"
„Hoffentlich ist ihm nichts passiert", knurrte Albright. „Da wir nun die Genehmigung haben, uns frei zu bewegen, können wir ihn suchen", schlug Loden vor. Ohne auf die Zustimmung der anderen zu warten, ging er in den Gang hinaus.
Bergmann schloß sich ihm an, dann folgten Albright und Shawlee.
Sie fanden Dr. Riesenhaft am Ende des Ganges. Er hockte auf einem flachen Sockel. Als er die Männer kommen sah, stand er auf, und Loden sah, daß der Kybernetiker vollkommen nackt war.
Aber da war nichts Lächerliches oder Anstößiges an seinem Aussehen. Riesenhaft war nichts als ein Mensch mit bleicher Haut, unter der die Knochen sich abzeichneten. Mit einer Stimme, in der unendliche Müdigkeit mitschwang, sagte Dr. Riesenhaft: „Das war eine verteufelte Idee, Emmet. Dafür werden Sie eines Tages in der Hölle schmoren." Er nickte Albright zu. „Außer mir sind Sie der Kleinste", sagte er. „Worauf warten Sie noch, Albright? Ich schätze, daß mich Ihre Unterhose leidlich kleiden wird."
*
Als Schöpproit mit triefendem Pelz aus dem Bach kletterte, hatten sich die Hangbewohner am Ufer versammelt. Sogar Tösniks fette Gestalt war unter ihnen zu erkennen. Schöpproit schüttelte sich, so daß die Wassertropfen aus seinem Fell flogen.
Plüsenkest, der Alte, wartete, bis Schöpproit vor ihm stand. In stolzer Haltung hatte sich Schöpproit neben ihn gestellt, seine dunklen Augen funkelten vor innerer Freude über den Erfolg eines Mitgliedes seiner Gruppe. Plüsenkest schnaubte gewaltig, und seine Schnurrbarthaare, die schon fast weiß waren, begannen zu zittern.
„Wo warst du?" fragte Plüsenkest. Obwohl Schöpproits krumme Beine vor Ehrfurcht fast einknickten, erwiderte er mit lauter Stimme: „Ich war in der verbotenen Stadt, Alter." Er dachte nicht daran, seinen gewaltigen Triumph in allen Einzelheiten zu berichten. Das mußte er nacheinander erledigen, denn jedesmal würde sich die Bewunderung der Hangbewohner für ihn steigern.
„Warum hast du das gewagt?" fragte Plüsenkest. Es hieß, daß er während seiner Jugend dreimal in dem Gang gewesen war. Einmal sollte er nur mit knapper Not den Wächtern entkommen sein.
Schöpproit sah, wie Tösniks fetter Körper vor purer Angst in sich zusammensank. Dieses Gefühl seiner neuen Macht stimmte ihn versöhnlich. Er beschloß, den Dieb zu schonen. „Es wird Zeit, daß ich den Hang ein Stück hinabkomme", sagte er. „Der Nachtwind hat meine Pflanze vernichtet." Jeder wußte, daß dies eine Lüge war, auch Plüsenkest. Schöpproit schien es, als sei Sörenzeychs Ausdruck noch etwas stolzer geworden. Schöpproit schüttelte sich kurz. Sein Stummelschwanz vollführte eine kurze Bewegung. „Wie weit", erkundigte sich der Alte, „hast du den Gang vorangetrieben?"
„Bis in die Stadt", sagte er dann lässig. „In die Stadt?" fragte Plüsenkest ungläubig. „Ja", schnaubte Schöpproit. „Ich habe den Gang durchbrochen. Er führt direkt auf einen freien Platz in die verbotene Stadt. Ich konnte die Gebäude aus direkter Nähe sehen." In Plüsenkests Ton schwang verhaltene Erregung mit, als er fragte: „Bist du auch auf Wächter gestoßen?"
„Ja", brummte Schöpproit. „Sie gingen dicht an mir vorüber.
Dabei habe ich beobachtet, daß sie fünf Gefangene haben. Diese Wesen sind gut, sie haben einen angenehmen Geruch." Die Hangbewohner drängten näher heran, um sich kein Wort Schöpproits entgehen zu lassen. „Glaubst du, daß es Gefangene von einem anderen Hang waren?" erkundigte sich Plüsenkest.
„Die Wesen waren sehr groß, viel größer als wir. Trotzdem waren sie schwächer als die Wächter." Schöpproit strapazierte sein Gehirn, um eine möglichst genaue Schilderung für den Alten zu formulieren. „Ich glaube nicht, daß sie an einem anderen Hang wohnen. Sie sahen fremd aus, trugen keinen Pelz, ihre Gesichter waren glatt und durchsichtig. Die Wächter müssen sie in dem Land hinter der Sonne gefaßt haben." Plüsenkest war alt und weise, er konnte aus dem Verhalten seiner Rassegenossen bestimmte Rückschlüsse ziehen. Er erkannte die stille Sehnsucht in den Worten Schöpproits. Aber er war nicht nur weise, sondern auch schlau. Oft genug hatte er erkennen müssen, daß es falsch war, die Kenntnis über die geheimen Wünsche der Hangbewohner offen zu zeigen. So sagte er nur: „Die Wächter werden sie
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